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Kirsten Kappert-Gonther
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas V. •

Die Krankenhäuser sind voll von Rauchern, Adipösen und Alkoholikern. Corona hat das Bewusstsein für Gesundheit gestärkt. Wie stehen Sie zu Lockdown bzw. Rationierung für diese Risikogruppen?

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97779/Uebergewicht-Alkohol-und-Tabak-bedrohen-die-steigende-Lebenserwartung-in-Europa

raucherspezifische Krankenhausaufenthalte
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_N036_23.html

Man weiß schon seit langer Zeit, wie gefährlich Rauchen, Fettleibigkeit und Alkoholmissbrauch sind. Krankenhauskapazitäten werden durch solche Risikogruppen blockiert.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr V.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Ausbreitung der Covid-19-Pandemie war von Beginn an mit der Sorge verbunden, bei einem starken Anstieg von Corona-Infektionen mit schwersten Verläufen nicht mehr genug Intensivkapazitäten für alle Patient*innen zur Verfügung zu haben. Zum Glück reichen trotz angespannter Lage momentan die Intensivkapazitäten nach wie vor aus, auch wenn es regional zu Engpässen gekommen ist. Für den Extremfall der Triage werden gegenwärtig im Bundestag legislative Vorschläge erarbeitet.

Ich vertrete die klare Haltung, dass wir alle Menschen in unserem Gesundheitssystem gleich behandeln sollten. Eine Schlechter- oder Besserstellung in der Behandlung und medizinischen Versorgung aufgrund bestimmter Merkmale oder Eigenschaften etwa ihren Nikotin- oder Alkoholkonsum lehne ich aus tiefster Überzeugung ab, ebenso wie einen spezifischen „Lockdown“  für diese Personengruppen. Dies widerspricht meinem humanistischen Menschenbild. 

Noch einen Satz zu Adipositas: Nicht nur im Gesundheitswesen besteht eine Tendenz, hohes Gewicht grundsätzlich zu pathologisieren. Hochgewichtige Menschen haben mit negativen Einstellungen und Vorurteilen zu kämpfen. Gesellschaftliche Körperideale können, insbesondere für Mädchen und junge Frauen, gesundheitsgefährdend sein. Dicke Menschen erfahren im Schnitt eine kürzere Behandlungsdauer und ihnen werden negative Eigenschaften wie mangelnde Motivation zugeschrieben. Zudem besteht eine materielle Versorgungslücke. Eine optimale Versorgung hochgewichtiger Patient*innen ist nicht überall sichergestellt. Statt dicke Menschen zu stigmatisieren und Patient*innen nicht ernst zu nehmen, muss es eine gute Versorgung für alle geben. Schuldzuweisungen zu Lasten der Hochgewichtigen sind unangebracht und kurzsichtig. Dicke Menschen haben wie alle anderen das Recht, im Gesundheitswesen mit Respekt und Würde behandelt zu werden, wie auch in allen anderen Teilbereichen des gesellschaftlichen Lebens.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Kirsten Kappert-Gonther

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