Am 19.1. wird im Bundestag das Thema ME/CFS diskutiert. Ich bin selbst schwer betroffen und möchte wissen, wie Sie sich dafür einsetzen, dass sich die Versorgungslage zukünftig verbessert.
Liebe Frau Kappert-Gonther,
die Versorgungslage für ME/CFS Betroffene ist prekär. In Deutschland gibt es alleinig die Charité als Anlaufstelle und auch diesen Zugang steht einem nur als Bewohner*in Berlin/Brandenburgs zu. Ich habe dieses Glück und bin dort Teil der CFS_Care Studie und trotzdem ist die medizinische Versorgung katastrophal. Die meisten meiner Ärzt*innen kennen die Erkrankung nicht einmal, verordnen Therapien, die im schlimmsten Falle meine Gesundheit weiter gefährden oder nehmen mich als junge Frau mit meinem komplexen Krankheitsbild nicht ernst. Ich bin direkt nach meinem zweiten Staatsexamen erkrankt, wollte gerade meinem Beruf als Lehrkraft beginnen und bin nun auf unabsehbare Zeit erkrankt, auch weil es in Deutschland kaum Wissen und Forschung zu dem Krankheitsbild gibt. Es benötigt insbesondere eine Weiterbildung von Ärzten*innen, Verankerung des Themas im Studium, Forschung, Weiterbildung von Fachstellen (MdK, Pflegevers.) und Ressourcen im Gesundheitssystem.
Sehr geehrte Frau,
vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich gerne auch im Namen der Grünen Bundestagfraktion beantworten möchte. Derzeit erreichen uns sehr viele Schreiben von Menschen mit ME/CFS-Erkrankung oder deren Angehörigen mit sehr persönlichen Schilderungen ihrer gesundheitlichen Verfassung. Wir nehmen diese alle sehr ernst. Wir wissen um die großen Einschnitte und die schwierige Lage, in der Sie und andere an ME/CFS erkrankten Patient*innen und ihre Angehörigen sind, durch Ihre Einschränkungen im Alltag und z.T. den dauerhaften Pflegebedarf. Als eines von ganz wenigen Krankheitsbildern hat das Chronische Fatigue-Syndrom daher auch explizit Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Hierbei haben wir uns auf die Verbesserung der Forschung und der Versorgung verständigt.
Zur Forschungsförderung sind Haushaltsmittel in Höhe von 16,5 Millionen Euro für 2022 und 2023 bewilligt und werden bereits bewirtschaftet. So wird mit der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen einer klinischen Studie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin aktuell die Wirksamkeit von drei Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-Covid und Chronischem Fatigue Syndrom erforscht. Dies ist sehr wichtig, um potenzielle Behandlungsmöglichkeiten auf verschiedene Wirkstoffe auszuweiten. Gleichzeitig gibt es auch eine geplante Studie in Erlangen mit dem Medikament BC 007, das bislang in einigen wenigen Heilversuchen bei Long-Covid-Patient*innen erfolgreich getestet wurde.
Wir Grüne wollen gemeinsam mit den Ampel-Partner*innen auch die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen verbessern. Damit mehr Menschen schneller eine Diagnose bekommen aufgrund derer sie adäquat behandelt werden können. Dazu wurde nun der Gemeinsame Bundesausschuss, der die inhaltlichen Vorgaben der gesundheitlichen Versorgung macht, per Gesetz beauftragt. Er soll bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie erarbeiten für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und ähnliche Krankheitsbildern wie etwa ME/CFS. Gleichzeitig wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden kann.
Ich werde mich auch weiterhin für eine bessere Versorgung einsetzen und wünsche Ihnen alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther