Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Michael v. bezüglich Gesundheit
Mobilfunk verursacht Gesundheitsschäden vom Kopfschmerz über Schlafstörungen, Fruchtbarkeitsprobleme bis hin zu Krebs und vielem mehr ( https://www.jrseco.com/wp-content/uploads/Beilage_Review_WLAN_Wilke_200x287-1.pdf ). Zum Schutz gegen den Elektrosmog berät die ICNIRP, die von der Bundesregierung jährlich mit 100000 Euro unterstützt wird. Die ICNIRP als privater industrienaher Verein für Mobilfunkindustrie ist in deutschen und internationalen Gremien (Bundesamt für Strahlenschutz, in der EU-Kommission etc.) tonangebend. Dabei wählt der Verein seine Mitglieder selbst aus. Mitglieder sind angebliche Wissenschaftler, die behaupten, die Strahlung sei unterhalb der Grenzwerte ungefährlich ( https://klaus-buchner.eu/wp-content/uploads/2019/06/FB-Mobilfunk_Web_26-06-19-1.pdf ). Wie ist es möglich, dass ein privater Verein mit Nähe zum Mobilfunk tonangebend ist, wenn es um Strahlenbelastung bzw. Strahlenschutz durch Mobilfunk geht? Warum wird dazu kein wissenschaftlich anerkanntes, neutrales Gremium herangezogen, um die Bevölkerung und deren politischen Vertreter vor Gesundheitsschäden durch Strahlenbelastung zu informieren, zumal durch den geplanten Ausbau von 5G die Strahlenbelastung noch intensiviert wird?
Sehr geehrter Herr Lüttwitz,
herzlichen Dank für Ihre Zuschrift. Ich kann Ihr Anliegen und die damit verbundene Sorge gut verstehen. Grundsätzlich bieten die Entwicklung und Nutzung moderner Technologien Chancen, die eine genaue Abwägung mit möglichen Risiken erfordern.
Mit Bedacht eingesetzt, ermöglicht die Digitalisierung gesellschaftliche Teilhabe und erhöhte Lebensqualität wie beispielsweise durch Verkehrsvermeidung und ressourcenschonende Geschäftsprozesse. In der digitalen Welt von heute entscheidet der Zugang zum Breitbandinternet über die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben.
Der Bundesgerichtshof hat bereits 2013 festgestellt, dass die Verfügbarkeit eines schnellen Internetzugangs „auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist“ (BGH, Urteil vom 24.01.2013 - III ZR 98/12). Die Bundesregierung muss ihre seit Jahren gemachten Versprechen endlich einlösen und mit konkreten Maßnahmen die digitale Infrastruktur endlich fit für das 21. Jahrhundert machen.
Unser Hauptfokus liegt auf dem Ausbau eines intelligent ausgebauten Glasfasernetzes. Eine gut ausgebaute terrestrische Glasfaserinfrastruktur kann den Bau vieler Mobilfunkmasten vermeiden und so die Strahlungsbelastung insgesamt reduzieren. So können etwa Mobilfunkmasten mit Glasfaser versorgt werden, statt zwischen den Masten Richtfunkstrecken im Mikrowellenbereich aufzubauen. Schwach ausgebaute Gebiete treiben durch die dauernde Netzsuche von Mobiltelefonen deren notwendige Sendeleistung in die Höhe.
Grundsätzlich ist vor Einführung von neuen Technologien eine umfassende Technikfolgenabschätzung sinnvoll, insbesondere, wenn Zweifel an der Verträglichkeit mit dem Schutz von Umwelt und Gesundheit bestehen.
Im Fall der 5G-Mobilfunktechnologie legen Studien nahe, dass die Gesundheit von Mensch und Tier beeinflusst wird. So wurde etwa hochfrequente elektromagnetische Strahlung 2011 von der WHO in der Gruppe 2B der IARC-Skala (möglicherweise krebserregend) eingestuft. In ihrem achten Emissionsminderungsbericht aus dem November 2018 (Bundestagsdrucksache 19/6270, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/062/1906270.pdf) betont die Bundesregierung, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand die durch starke elektromagnetische hervorgerufene Erwärmung von Gewebe maßgeblich für die Beurteilung von möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der hochfrequenten elektromagnetischen Felder ist.
In Bezug auf die weiteren möglichen Risiken über die Gewebeerwärmungen hinaus stellt die Bundesregierung fest, dass im Bereich niedriger Intensitäten hochfrequenter Felder gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge nicht-thermischer Wirkungen in jahrzehntelanger Forschung bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnten. Diese Feststellung ist in der Fachwelt umstritten, wie es etwa der Berichterstattung im Tagesspiegel vom 15.01.2019 (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/mobilfunk-wie-gesundheitsschaedlich-ist-5g-wirklich/23852384.html) zu entnehmen ist.
Im Fall der 5G-Technologie sind weitere technische Entwicklungen auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen hin zu erforschen. Dazu gehört das sogenannte Beamforming. Dadurch wird es laut Bundesamt für Strahlenschutz möglich, Mehrwegeausbreitung besser zu nutzen und Strahlungsleistung zielgenauer abzugeben. Die zielgenauere Aussendung kann zu niedrigeren Expositionen führen, weil weniger Leistung ungerichtet in die Umgebung abgegeben wird. Beim Empfang kann die Technik dazu beitragen, dass niedrigere Feldstärken für eine Verbindung ausreichen. Dem stehen laut Bundesamt für Strahlenschutz insgesamt steigende Datenübertragungsmengen und damit verbundene Änderungen am Immissionsaufkommen gegenüber.
Insgesamt scheint also die wissenschaftliche Basis für die These der weitergehenden Unschädlichkeit von Mobilfunkstrahlung weniger klar, als es die Bundesregierung im achten Emissionsminderungsbericht darstellt.
Wir plädieren deshalb für weitere unabhängige Forschung zu den Risiken der 5G-Technologie und sprechen uns dafür aus, alle Quellen, die hohen wissenschaftlichen Standards entsprechen, zur Grundlage weiterer Entscheidungen bezüglich des 5G-Ausbaus zu machen. Dies schließt ggf. eine vorsorgeorientierte Anpassung der Grenzwerte und der Ausbauplanung ein.
Grundlage für die Regulierung der Strahlenbelastung ist das Bundesimmissionsschutzgesetz. Dieses folgt dem Grundsatz des Vorsorgeprinzips, welches auch im Bereich der Mobilfunkstrahlung konsequent angewendet werden muss. Dass in anderen Ländern Europas teilweise deutlich niedrigere Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung gelten, ist für uns ein Hinweis darauf, dass die Bundesregierung das Vorsorgeprinzip nicht so konsequent anwendet, wie es andere Staaten tun.
Generell plädieren wir dafür, Grenzwerte für nicht ionisierende Strahlung auf das niedrigste technisch machbare Niveau abzusenken und insbesondere einen Ausbau des Mobilfunknetzes so zu gestalten, dass Schäden an Umwelt und Gesundheit nach dem vorliegenden Wissensstand ausgeschlossen werden können. Gerade die Belange sensibler Personengruppen, wie Schwangere und Kinder, müssen beim Mobilfunkausbau besonders berücksichtigt werden.
Konkret fordern wir:
• den Ausbau eines umwelt- und gesundheitsverträglichen schnellen Mobilfunkinternets, wobei alle rechtlichen Möglichkeiten zur Reduzierung der Mastendichte genutzt werden sollten, etwa auch Vorgaben zum National Roaming beim 5G-Ausbau;
• dass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene für eine Überarbeitung der Empfehlung des Rates der Europäischen Union 1999/519/EG einsetzt, die den aktuellen Wissensstand aufgreift und unter konsequenter Anwendung des Vorsorgeprinzips in allen Mitgliedstaaten ein hohes, harmonisiertes Schutzniveau festlegt;
• vorsorgeorientierte und kindergerechte Grenzwerte, insbesondere für Orte mit empfindlicher Nutzung, wie zum Beispiel Schul- und Krankenzimmer, sowohl für den Niederfrequenz- als auch für den Hochfrequenzbereich festzulegen;
• das in der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung bereits für den niederfrequenten Bereich verankerte Minimierungsgebot unter Anwendung des Standes der Technik auf den gesamten Bereich der nichtionisierenden Strahlung auszudehnen und regelmäßig eine Evaluierung vorzunehmen,
• dass auch im Rahmen eines zukünftigen Mobilfunk-Gesamtkonzepts die Entscheidung, ob eine Schule oder ein Krankenhaus mit einem Funkmast ausgestattet wird, weiterhin beim jeweiligen Schul- oder Krankenhausträger liegt.
Für weitere Informationen verweise ich Sie gerne auf einen Antrag, den die Grüne Bundestagsfraktion zum Thema Breitbandausbau im Oktober 2018 in den Bundestag eingebracht hat. Darin haben wir klargestellt, dass beim Ausbau des Mobilfunks stets ein hohes Schutzniveau für Umwelt und Gesundheit gewährleistet werden muss (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/053/1905306.pdf).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther