Frage an Kirsten Kappert-Gonther von Peter W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. Kappert-Gonther,
der Bundestag wird am Donnerstag, 14. November 2019 über das Masernschutzgesetz abstimmen. [1]
Noch wurde vom federführenden Gesundheitsausschuss diesbezüglich leider noch keine Beschlussempfehlung veröffentlicht. Wäre es nicht allerhöchste Zeit dafür? Es kann ja nicht sein, dass eine Empfehlung erst einen Tag vor Abstimmung herausgegeben wird und dann in einer Nacht- und Nebelaktion eine weitreichende Impfpflicht beschlossen wird. Welcher Abgeordnete soll sich denn bei dieser Praxis in der Kürze der Zeit nochmal eingehend mit den Änderungen befassen? Das geht allein aus Zeitgründen schon gar nicht. Ist das vom Initiator des Gesetzentwurfs so gewünscht?
Ich möchte Sie inständig bitten, dass Sie sich als Obfrau ihrer Fraktion im Gesundheitsausschuss dafür einsetzen, dass
a) entweder die Beschlussempfehlungen rechtzeitig veröffentlicht oder die Abstimmung im Bundestag verschoben wird,
b) der Fraktionszwang bei dieser wichtigen Abstimmung aufgelöst wird,
c) namentlich abgestimmt wird.
Ihre Wähler werden es Ihnen danken.
Mit freundlichen Grüßen
P. W.
[1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw46-de-masernschutzgesetz-667326
Sehr geehrter Herr Wunder,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Wie Sie wissen, findet die wesentliche parlamentarische Arbeit in den Fachausschüssen statt. Es ist die Aufgabe der Ausschüsse, Gesetzesvorlagen inhaltlich zu beraten und Beschlüsse des Plenums vorzubereiten. Es ist üblich, dass die Beschlussempfehlungen des federführenden Ausschusses kurz vor der abschließenden Entscheidung im Plenum vorgelegt werden. Das heißt allerdings nicht, dass zu den Gesetzesinitiativen keine fraktionsinterne und -übergreifende Debatte stattfindet. Bei fachlich schwierigen oder politisch umstrittenen Gesetz-entwürfen laden die jeweils zuständigen Ausschüsse des Bundestags Sachverständige und Interessenvertreter*innen zu Anhörungen. (Das Wortprotokoll der 68. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit vom 23. Oktober 2019 zur öffentlichen Anhörung „Masernschutz“ können Sie übrigens hier aufrufen: https://www.bundestag.de/resource/blob/665870/41f508391e233e8e5aee546d883ab6df/068_23-10-19_Masern-data.pdf ) Die Gesetzesinitiativen werden zudem über einen längeren Zeitraum in den fraktionsinternen Gremien beraten, sodass die Abgeordneten einer Fraktion letztlich wissen, worüber sie abschließend beschließen.
Ein sogenannter „Fraktionszwang“ besteht in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Wir Abgeordnete des Bundestages verfügen nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes über ein freies Mandat. Eine namentliche Abstimmung per Stimmkarte findet statt, wenn dies von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten verlangt wird. Über den Entwurf eines Masernschutzgesetzes wurde namentlich abgestimmt. Wir Grüne haben uns mehrheitlich enthalten, da der Entwurf aus dem Hause Spahn zwar einige sinnvolle Maßnahmen enthält, insgesamt aber zu kurz gedacht ist.
Wir Grüne fordern eine umfassende Impfstrategie, welche die Masern nicht isoliert betrachtet, sondern alle Impfquoten – dort, wo nötig – erhöht. Zu dieser Strategie gehört auch, endlich die beträchtlichen Impflücken bei Jugendlichen und Erwachsenen mit zielgruppengerechten Aufklärungskampagnen und niedrigschwelligen Impfangeboten zu schließen. Hohe Impfquoten bei allen Infektionskrankheiten schützen die gesamte Bevölkerung, also auch diejenigen Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Das vom Kabinett vorgelegte Masern-schutzgesetz wird in dieser Form nicht ausreichen, um die beträchtlichen Impflücken – die offenbar nicht nur die Masernimpfung betreffen – zu schließen. Selbstverständlich müssen die Impfquoten generell erhöht werden. Dazu gehört aber auch, die beträchtliche Impflücke der Erwachsenen (50%) nicht zu ignorieren und endlich dagegen zusteuern. Hier liefert Minister Spahn keinen Lösungsansatz. Der Gesetzentwurf zum Masernschutzgesetz verpasst die Gelegenheit, eine umfassende Impfstrategie festzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kirsten Kappert-Gonther