Porträt Kerstin Täubner-Benicke
Kerstin Täubner-Benicke
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Kerstin Täubner-Benicke zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Reinhard B. •

Frage an Kerstin Täubner-Benicke von Reinhard B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo,
ich bin ein unbescholtener Legalwaffenbesitzer/Sportschütze.
Hinter bzw. neben mir stehen in Ihrem Wahlkreis sehr viele Menschen, die das gleiche Hobby, wie ich betreiben. Entweder als Sportschütze oder auch als Jäger.
Wie stehen Sie zum derzeitigen Waffenrecht in Deutschland?
Ist es aus Ihrer Sicht zu streng, oder ist es zu locker?
Was haben die bisherigen Verschärfungen in Bezug auf die Sicherheit tatsächlich nachweisbar gebracht?
Wie sind legale Waffen im Vergleich zu illegalen Waffen und deren Besitzer an Gefährlichkeit aus Ihrer Sicht zu bewerten?
Ich würde mich sehr über Antworten von Ihnen dazu freuen und diese dann gerne mit Freunden diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen,
R. B.

Porträt Kerstin Täubner-Benicke
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich schätze Traditions- und Brauchtumspflege sehr, wenn sie den kulturellen und sportlichen Formen einer offenen und pluralen Gesellschaft entspricht. Schützenvereine, Schützenfeste gehören zu unserer Kultur und sind somit ein Teil unserer Gesellschaft.
Nichtsdestotrotz halten wir Verschärfungen des Waffenrechts für erforderlich.
Das Deutsche Waffenrecht verhindert nicht, dass sich Extremisten legal bewaffnen. Nach vorläufiger Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden verfügten z.B. 2016 sogenannte „Reichsbürger“ über etwa 700 waffenrechtliche Erlaubnisse. Erkenntnisse des Verfassungsschutzes müssen daher von den Behörden besser berücksichtigt werden. Unter anderem in diesem Bereich halten wir Verschärfungen im Waffenrecht für erforderlich. Es gibt gute Gründe scharfe Schusswaffen nur überprüften Personen zugänglich zu machen. Schusswaffen werden schließlich zum einfachen Töten von Menschen gebaut und sind gefährlich – mit in der Regel irreversiblen Folgen. Halbautomatische Waffen, die mit geringem Aufwand in automatische Waffen umgebaut werden können, sind ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko. Das gilt auch für die Modelle, die nicht von der aktuellen EU-Richtlinie erfasst sind. Auch sind weiterhin zu viele Schreckschusswaffen im Umlauf, mit denen nach einem ebenfalls einfachen Umbau normale scharfe Munition verschossen werden kann.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass in der offiziellen polizeilichen Kriminalstatistik begangene Straftaten mit Schusswaffen nach legalen und illegalen Waffen unterschieden werden. Beispielsweise werden Tötungen im familiären Umfeld mit anschließender Selbsttötung bisher in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht hinreichend erfasst oder zumindest nicht gesondert ausgewiesen. Solche „Familiendramen“ und andere Tötungsdelikte im sozialen Umfeld sind aber auch in Deutschland häufiger als allgemein angenommen wird. Tatsächlich sind die meisten Opfer eines Tötungsdelikts mit dem Täter entweder verwandt oder bekannt. Illegalen Waffenerwerb zu verhindern, entsprechenden Besitz zu beenden und zu ahnden ist Aufgabe der Staatsanwaltschaften und Gerichte bzw. der Polizei. Wir setzen uns dafür ein, dass Polizei und Justiz die nötigen Ressourcen erhalten, um Ermittlungen und Verfahren angemessen führen zu können. Das schließt auch gerade Ermittlungen im sogenannten „Darknet“ ein, die eine entsprechende Ausbildung und technische Ausstattung erfordern.
Die Vorschriften über die private Lagerung von Waffen müssen die besonderen Gefahren einer ggf. schussbereiten scharfen Waffe im privaten häuslichen Umfeld berücksichtigen. Eine zentrale Aufbewahrung birgt jedoch auch Sicherheitsrisiken und ist daher nicht immer eine gute Lösung. Sofern dort eine sichere Lagerung gewährleistet ist, können Sportschützen die Sicherheit für Ihre Familien aber ggf. auch dadurch erhöhen, dass Sie Waffen oder Munition nur im Vereinsheim lagern. Der Zugriff auf eine schussbereite Waffe ist im privaten häuslichen Umfeld ist aus mehreren Gründen problematisch: Spontane Suizide von Menschen in akuten Krisen oder die Tötung von Angehörigen beispielsweise erfolgen oft gerade deshalb, weil die scharfe Waffe in der konkreten Situation zur Verfügung stand. In Deutschland sterben jedes Jahr etwa 20 bis 25 Menschen bei einem Tötungsdelikt innerhalb der Familie oder Partnerschaft durch eine Schusswaffe im legalen Besitz des Täters. Ein weiteres ernst zu nehmendes Problem sind legale Waffe, die gestohlen werden oder abhandenkommen: Im Nationalen Waffenregister sind aktuell 17.174 Waffen als abhandengekommen und weitere 4.760 als gestohlen registriert (Stand: 31. Mai 2017). Die Dunkelziffer könnte noch weitaus höher liegen. Daher gilt es Übergänge vom legalen in den illegalen Waffenbestand zu verhindern.
Ihre Sicherheit und die Ihrer Familie liegen uns am Herzen. Ich wünsche mir ein Waffenrecht, dass die Gefahren minimiert.

Mit freundlichen Grüßen,
Kerstin Täubner-Benicke