Frage an Kerstin Kassner von Christoph S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Was halten Sie von folgenden Maßnahmen zur Dämpfung der Wohnungsnot:
1. Abrechnung und Erhebung der Fehlbelegungsabgabe beim Sozialen Wohnungsbau über die Steuererklärung zur Verwaltungsvereinfachung?
2. Bei Sozialwohnungen liege das Belegungsrecht bei Mieterwechsel bei der Fürsorge statt beim Vermieter?
3. Der Staat beschlagnahme in Gebieten mit sehr wenig Sozialwohnungen das Belegungsrecht bei Mieterwechsel z.T. nach Losentscheid zugunsten der Fürsorge? Wie hoch sollte, müsste die Abfindung an den Vermieter sein?
4. Nach Auszug der Kinder oder Tod des Partners Wohnung mit altem billigen Mitvertrag zu groß: Der Staat befielt dem Anbieter einer kleinen Wohnung, die Witwe zum alten qm-Preis aufzunehmen, der Vermieter der großen Wohnung kann diese neu teurer vermieten und entschädigt den Vermieter der kleinen Wohnung und übernimmt die Umzugskosten.
5. Wenn zu viele Bewerber für wenige Sozialwohnungen fragen, wer sollte die Wohnung bekommen und wer wird gebeten, eine freie Wohnung in der Ferne zu nehmen und 1,5h bis 2h pro Richtung zu seinen Freunden und Verwandten oder zur Arbeit zu pendeln: Rentner, Langzeitarbeitslose, Obdachlose, Krankenschwestern ÖPNV-Fahrer, Hausmeister oder Künstler, nach deren Theateraufführung der ÖPNV nicht mehr fährt? Oder sollte der Staat Quoten pro Gruppe festsetzen oder keine solche Bewertung vornehmen, sollte dies Glücksache oder Sache des organisatorischen Geschicks des Kandidaten sein? Ist der volkswirtschaftliche Schaden relevant, wenn ein wichtige berufliche Aufgabe mangels Wohnung für den Kandidaten nicht besetzt werden kann?
6. Was halten Sie von einer subventionierten BahnCard 100 statt Wohngeld?
7. Was sagen Sie zu dem Satz, „Wenn ein begehrtes Gebiet voll ist, dann ist es voll und dann passt eben keiner mehr rein.“
Sehr geehrter Herr S.,
Ihre Fragen beantworte ich nachfolgend einzeln wie folgt:
Zu Frage 1)
Wir sind gegen eine Fehlbelegungsabgabe. Zum einen hat sich gezeigt, dass bürokratischer Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Deswegen haben viele Länder Fehlbelegungsabgaben wieder abgeschafft. Auch die Abfrage über eine Steuererklärung schafft hier keine Abhilfe. Zum anderen wollen wir auch im Sozialen Wohnungsbau soziale Mischung. Menschen, die mit ihrem Einkommen aus ihren Sozialwohnungen „herauswachsen“, sind oft in ihren Häusern und Vierteln verwurzelt und sollen dort bleiben dürfen.
Zu Frage 2)
Belegungsrechte liegen bei den Kommunen, in der Regel bei den Wohnungsämtern.
Zu Frage 3)
Siehe Antwort auf Frage 1
Zu Frage 4)
Das von Ihnen beschriebene Problem ist vor allem in Städten mit hohen Mietsteigerungen erheblich. DIE LINKE setzt sich dafür ein, einen Wohnungstausch zu ermöglichen, ohne dass es dabei zu Mietsteigerungen kommt. In Berlin haben wir - unter der Verantwortung der Senatorin Katrin Lompscher von der LINKEN - eine Wohnungstauschbörse - https://inberlinwohnen.de/ - eingerichtet, die einen Tausch für städtische Wohnungen erheblich erleichtert und schon jetzt ermöglicht. Für den Privatsektor prüfen wir entsprechende rechtliche Regelungen und würden diese unterstützen.
Zu Frage 5)
Wir setzen darauf, genügend Sozialwohnungen zu schaffen, um die Bedarfslücke von derzeit rund 4 Mio. fehlenden Sozialwohnungen schnell zu schließen. Dafür wollen wir einen Neustart im sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau, um 250.000 neue Sozialwohnungen im Jahr mit dauerhaften Bindungen zu schaffen. Für auf dem Wohnungsmarkt besonders diskriminierte Gruppen wie Wohnungslose, Empfänger*innen von Sozialleistungen, Rentner*innen oder auch Auszubildende und Studierende sollten Quoten festgelegt werden, um Ihnen einen Zugang zu Wohnraum zu ermöglichen.
Zu Frage 6)
Wir wollen dauerhaft günstigen Wohnraum, im Sinne der Verkehrsvermeidung auch und gerade in den Innenstädten. Wohngeld ist angesichts der großen Lücke zwischen der Miet- und Einkommensentwicklung nötig und sollte dringend erhöht und laufend angepasst werden, ist aber keine dauerhafte Perspektive für die soziale Wohnraumversorgung. Günstige Mobilität unterstützen ich/ DIE LINKE natürlich auch. Dementsprechend fordern wir seit Jahren den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.
Zu Frage 7)
Die freie Wahl des Wohn- und Lebensortes ist ein Recht, dass durch den Staat nicht beschnitten werden darf. Aufgabe des Staates ist es, durch Stadtentwicklung und Raumordnung für Bedingungen zu sorgen, gleichwertige Lebensverhältnisse überall herzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Kerstin Kassner