Werden Sie dem Antrag 20/ 4886 der CDU/ CSU zum Thema ME/ CFS zustimmen und wenn nicht warum nicht?
Sehr geehrte Frau Kinkel,
Ich gehöre zu den mindestens 500.000 an ME/ CFS Erkrankten Menschen in Deutschland.
Der zum Thema ME/ CFS gestellte Antrag 20/ 4886 wurde, wie sie sicher wissen, am 19.01.2023 im Bundestag diskutiert. Alle Fraktionen waren sich einig, dass dringend etwas passieren muss, um den Erkrankten zu helfen.
Ich würde gerne wissen, ob Sie persönlich dem Antrag zustimmen werden?
Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank und freundliche Grüße
Tanja S.
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu dem Abstimmungsverhalten der Grünen im Bundestag zu dem Antrag 20/4886 ME/CFS „Betroffenen sowie deren Angehörigen helfen - Für eine bessere Gesundheits- sowie Therapieversorgung, Aufklärung und Anerkennung“. Da der Antrag im Bundestag abgestimmt wurde und ich Abgeordnete der Grünen im Hessischen Landtag bin, war ich nicht in der Position über diesen Antrag abstimmen oder darauf Einfluss nehmen zu können.
Die Koalition SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben dem Antrag nicht zu gestimmt. Das heißt aber nicht, dass das inhaltliche Anliegen nicht trotzdem geteilt wird. Der Antrag greift ein wichtiges und lange vernachlässigtes Thema auf. Die Plenardebatte und die öffentliche Anhörung haben gezeigt, dass es großen Handlungsbedarf gibt und daher wollen sich die Koalitionsfraktionen dem Thema mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Seriosität widmen. Der vorgelegte Antrag weist diese Seriosität jedoch an vielen Stellen nicht auf, weshalb man ihn abgelehnt hat. Viele der geäußerten Forderungen liegen außerhalb des Kompetenzbereichs der Bundesregierung. Die Bundesregierung kann bspw. nicht über die Aufnahme von ME/CFS in die ambulante spezialfachärztliche Versorgung oder über die Berücksichtigung in den Curricula bzw. Lernzielkatalogen der medizinischen Fakultäten entscheiden. Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen sind daher nicht möglich umzusetzen. Die parlamentarische Debatte hat die unzureichende Versorgungs- und Behandlungslage der von ME/CFS Betroffenen offenbart. Es gibt Einigkeit darüber, dass über die Fraktionsgrenzen hinweg daran gearbeitet werden muss, die Erkrankung weiter bekannt zu machen und Aufmerksamkeit zu generieren. Dazu trägt auch die vermehrt auftretende Diagnose von ME/CFS im Anschluss an COVID-19-Infektionen bei. Die Anhörung hat insbesondere gezeigt, dass Anlaufstellen und Behandlungswege für Betroffene verbessert werden müssen, oftmals falsche Rehabilitationsmaßnahmen angewandt werden und die Voraussetzungen klinischer Studien verbessert und vereinfacht werden müssen. All diese Punkte sind in dem Antrag der Unionsfraktion aber nicht ausreichend adressiert, weshalb der Antrag abgelehnt wurde. Das Ziel der GRÜNEN Bundestagsfraktion ist es im Rahmen verschiedener parlamentarischer Verfahren und Gesetze für sehr konkrete Verbesserungen für die Betroffenen sowie im Bereich der Forschung zu sorgen. Dazu setzen die GRÜNEN sich im Rahmen der Haushaltsverhandlungen intensiv dafür ein, zusätzliche Gelder für Forschung und Unterstützung von Betroffenen bereitstellen zu können.
Wir lassen das Thema auf Landeseben auch nicht aus dem Blick. Durch die vermehrt auftretende Diagnose von ME/CFS im Anschluss an COVID-19-Infektionen wurden in Hessen mehrere Hochschulambulanzen, die dem Behandlungsauftrag für Long-COVID nach § 117 SGB V nachkommen, eingerichtet. Darunter beispielsweise die Klinik für Pneumologie in Marburg in Kooperation mit der Klinik für Kardiologie und in enger Abstimmung mit der Ambulanz der Klinik für Neurologie. Post-COVID-Patient*innen werden zudem in mehreren spezialisierten Rehakliniken in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH versorgt. Grundsätzlich arbeiten alle Ambulanzen der Standorte Gießen und Marburg sowohl im Erwachsenenbereich als auch im pädiatrischen Bereich mit multiprofessionellen Teams zur Behandlung von Long-COVID-Erkrankten jeweils in Abhängigkeit von dem individuellen Krankheitsbild. Da der Erkenntnisgewinn zu der Erkrankung bis dato nicht abgeschlossen ist, bedarf es einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Therapien und Behandlungsstrukturen innerhalb der etablierten Strukturen. Der Ausbau der bereits bestehenden Forschung gerade in diesem Bereich ist enorm wichtig, daher arbeiten wir auch daran die Forschungsaktivitäten weiterhin zu verbessern. Für den Ausbau und Betrieb der universitären Post-COVID-Versorgungs- und Forschungsambulanzen in Hessen am Universitätsklinikum Frankfurt am Main sowie am Universitätsklinikum Gießen-Marburg wurde für das Haushaltsjahr 2022 eine einmalige Anschubfinanzierung i.H.v. bis zu insg. 699.300 Euro zugewiesen. Die Zuweisung steht unter der spezifischen Maßgabe, dass die universitätsmedizinischen Standorte sich bemühen, die Maßnahme im Jahr 2023 bis 2024 mit Eigenmitteln bzw. Drittmitteln fortzuführen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüße,
Kaya Kinkel