Frage an Katrin Lompscher von Marc S. bezüglich Energie
Sehr geehrte Frau Lompscher,
ich schreibe Ihnen im Vorfeld der Berliner Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zur Bezirksverordnetenversammlung, da ich über den Neubau des Biomassekraftwerks von Vattenfall am Standort Klingenberg in unserem Bezirk besorgt bin und gerne Ihr Meinung, bzw. Position zu diesem Thema erfahren möchte.
Der Bebauungsplan für das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk wurde bereits vor wenigen Wochen durch die Lichtenberger BVV beschlossen. In der kommenden Legislaturperiode steht die Genehmigung für diejenigen Kraftwerksblöcke an, die größtenteils mit importierter Biomasse befeuert werden sollen.
Für mich stellt sich hierbei die Frage, ob es überhaupt aus ökologischer, aber auch aus sozialer (bezogen auf die liberianische Bevölkerung) Perspektive einen Sinn ergibt das benötigte Holz aus einem Land wie z.B. Liberia zu importieren. Vattenfall und das Land Berlin haben in einer Nachhaltigkeitsvereinbarung (15.4.2011) versucht diese Zweifel zu zerstreuen. Der BUND Berlin, der NABU Berlin oder das Ökowerk Berlin haben bei dieser Nachhaltigkeitsvereinbarung allerdings erhebliche Mängel festgestellt (siehe Link unten). Weder von Senatsseite, noch von Vattenfall oder der BVV Lichtenberg wurde bisher auf diese Mängelliste eingegangen.
Meine Frage an Sie als Kandidat der BVV Lichtenberg ist nun a) wie Sie zu den beschriebenen Mängeln des BUND Berlin stehen und ob Sie b) in der momentanen Situation dem Kraftwerkneubau zustimmen würden, bzw. c) welche Mängel Ihrer Meinung nach auf jeden Fall behoben werden müssen, damit Sie dem Kraftwerksneubau zustimmen.
Ich freue mich auf Ihre Antwort!
Mit herzlichem Gruß,
Marc Schwingel
Mängelliste BUND:
http://www.bund-berlin.de/fileadmin/bundberlin/pdfs/Klima_und_Energie/Liste_der_aktuellen_M%C3%A4ngel_an_der_Nachhaltigkeitsvereinbarung_zwischen_VListe-Biomasse-Vereinbarung.pdf
Stellungnahme BUND:
http://www.bund-berlin.de/fileadmin/bundberlin/pdfs/Klima_und_Energie/110516_Stn_Liberiaholz_f%C3%BCr_Berlin.pdf
Sehr geehrter Herr Schwingel,
vielen Dank für Ihre Frage zum Kraftwerk Klingenberg. Aus der Fragestellung entnehme ich, dass Sie keine Einwände gegen den Neubau des Gas- und Dampfturbinenkraftwerkes als Ersatz für das alte, derzeit mit Braunkohle befeuerten Kraftwerks Klingenberg haben. Wenn dies so ist, dann sind wir hier gleicher Meinung. Nach der Beschlussfassung über den Bebauungsplan beginnt jetzt das Genehmigungsverfahren nach Immissionsschutzrecht, auch mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Zuständige Behörde ist das meiner Senatsverwaltung nachgeordnete Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit LAGetSi. Die Unterlagen sind online einsehbar ( http://www.berlin.de/lagetsi/themen/39647.html ) und liegen seit 13.9.2011 öffentlich aus. Nach Fertigstellung 2016 soll das alte Kraftwerk Klingenberg vom Netz gehen.
Wie Sie wissen wollte Vattenfall ursprünglich anstelle des alten Kraftwerks Klingenberg ein neues Steinkohlkraftwerk bauen. Dagegen habe ich mich frühzeitig ausgesprochen und es ist in einer langwierigen, über zwei Jahre andauernden stadtpolitischen Auseinandersetzung gelungen, Vattenfall zu einer Änderung des Energiekonzeptes für Berlin zu bewegen. Im Oktober 2009 sind in der Klimaschutzvereinbarung mit dem Land Berlin das Energiekonzept und die Verpflichtung zur 50%igen CO2-Minderung und weiteren Klimaschutzmaßnahmen dokumentiert worden.
Neben drei neuen Gaskraftwerken, hocheffizient mit KWK, an den Standorten Lichterfelde, Marzahn und Rummelsburg, der Modernisierung bestehender und Errichtung neuer dezentraler KWK-Anlagen ist auch die verstärkte Nutzung von Biomasse Teil der Unternehmensstrategie. Diese wird zum Teil in Kohlekraftwerken mitverbrannt und reduziert so den Kohleverbrauch und damit die Treibhausgasemmission oder dient als Ersatzbrennstoff in neuen Anlagen, z.B. im Heizkraftwerk Märkisches Viertel. Am Standort Rummelsburg sollen mittelfristig zwei Biomasseanlagen neu gebaut werden.
Als der Vertragsabschluss von Vattenfall für altes Kautschukholz in Liberia bekannt geworden ist, bin ich auf das Unternehmen zugegangen, um für die Biomassenutzung in Berlin Nachhaltigkeitskriterein zu vereinbaren. Dabei hat das Unternehmen u.a. auch mitgeteilt, dass der Großteil der Lieferungen aus Europa und Nordamerika vorgesehen ist und es hat einem Nachtrag zur Klimaschutzvereinbarung zugestimmt. Diese Vereinbarung ist im April 2011 unterzeichnet worden. Vorher sind von renommierten Expert/innen Gutachten erstellt worden, der Klimaschutzrat und weitere Interessierte haben an der Diskussion über die Inhalte der Vereinbarung mitgewirkt.
Die von Berlin und Vattenfall unterschriebene Nachhaltigkeitsvereinbarung ist sicher nur die zweitbeste Lösung für die verbindliche Gewährleistung ökologischer und sozialer Standards bei der Nutzung fester Biomasse. Besser wären eindeutige gesetzliche Vorgaben des Bundes oder noch besser der Europäischen Union. Da dies aber derzeit nicht existieren, wäre die Alternative zu der Vereinbarung nichts zu tun und keine gemeinsam getragenen Vorgaben für die Biomassenutzung in Berlin zu haben. Berlin und auch das Unternehmen haben hier Neuland betreten. Für mich steht es außer Frage, dass nur bei einer Garantie der nachhaltigen Nutzung von Biomasse deren Einsatz für den Klimaschutz gesellschaftlich akzeptabel ist.
Da Sie mich fragen, welche Mängel an der Vereinbarung behoben werden müssten, damit ich dem Kraftwerksbau zustimme, kann ich Sie als zuständige Senatorin nur auf die aktuelle Rechtslage hinweisen. Ich habe keine Möglichkeit einen Kraftwerksneubau abzulehnen, wenn er nicht gegen geltendes Recht verstößt. Deshalb war es mir so wichtig, dass wir über die derzeitige Rechtslage hinausgehende Verabredungen mit Vattenfall für einen nachhaltige Nutzung der Biomasse treffen. Da eine externe Evaluierung und regelmäßige Dokumentation Bestandteil dieser Vereinbarung sind, unterliegen das Unternehmen und die Politik auch in Zukunft der "Beobachtung" durch eine kritische Öffentlichkeit. Das war mein Ziel und wird die sachgerechte Umsetzung der Vereinbarung zweifellos unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Lompscher