Frage an Katrin Lompscher von Stefanie U. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Lompscher,
ich habe zwei Fragen zum Themenbereich Gesundheitswesen/Psychotherapie an Sie.
Zum einen würde mich interessieren, wie Sie zum neuen Versorgungsstrukturgesetz stehen. Darin ist festgelegt, dass ca. ein Drittel aller Psychotherapie-Kassensitze abgebaut werden soll. Grundlage dafür sind Zahlen aus dem Jahr 1999 (die damals schon falsch waren), mit denen belegt wird, dass es angeblich zuviele Psychotherapieplätze geben soll. Tatsache aber ist, dass die durchschnittliche Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz bundesweit 6 Monate (in Berlin 4 Monate) beträgt, d.h. es gibt keine Über-, sondern eine Unterversorgung. Für die Patienten bedeutet das, dass sie nun noch länger auf einen Platz warten müssen, zur Überbrückung der Wartezeit in eine Klinik gehen müssen und dass die Tendenz zur Chronifizierung und Arbeitsunfähigkeit noch größer wird. Infolgedessen sind es noch größere Kosten für das Gesundheitswesen. Das Ziel - durch einen Abbau von Psychotherapieplätzen - Kosten einzusparen, ist dadurch verfehlt. Werden Sie sich nach der Wahl für eine Korrektur dieser fehlerhaften Berechnung einsetzen?
Meine zweite Frage bezieht sich auf das Psychotherapeutengesetz. Im Rahmen der Psychotherapie-Ausbildung muss die Praktische Tätigkeit (PT) mit 1800 Stunden absolviert werden. Im Gesetz steht, dass die PT gemacht werden muss, aber nicht, dass sie vergütet wird. Das bedeutet, dass die PiA (Psychotherapeuten in Ausbildung) zum Nulltarif arbeiten, da die Kliniken diese Lücke im Gesetz ausnutzen. Die Kliniken sparen dadurch Planstellen ein und nutzen die PiA, die bereits einen Abschluss als Dipl.-Psych. oder Dipl.-Päd. haben, auf gesetzlicher Basis aus. Werden Sie sich nach der Wahl für eine Reform des Psychotherapeutengesetzes stark machen?
Mit freundlichem Gruß
Stefanie Ulrich
Sehr geehrte Frau Ulrich,
das Versorgungsstrukturgesetz existiert bisher als Entwurf des Bundeskabinetts und wird nach der Sommerpause in Bundesrat und Bundestag beraten. Ob es wie von der Bundesregierung vorgesehen zum Jahresbeginn 2012 in Kraft treten kann, wird sich zeigen. Dieses Gesetzesvorhaben ist nichts anderes als eine weitere ziemlich große Gesundheitsreform mit etlichen Regelungsfeldern. Der von ihnen angesprochene Punkt der Bedarfsplanung für die ambulante Versorgung ist dabei am intensivsten zwischen Bund und Ländern diskutiert. Der jetzige Entwurf des Bundes hat Forderungen der Länder, auch Berlins, nur teilweise aufgegriffen und wird daher auch von mir kritisch gesehen.
Es wird allerdings nicht so sein, wie von ihnen befürchtet, dass ab Anfang 2012 Zulassungen für Psychotherapeut/innen in Berlin oder anderswo entzogen werden. Mit dem Gesetz werden zunächst die Grundlagen der Bedarfsplanung verändert. Dann muss erst der Gemeinsame Bundesausschuss (ein Gremium der sogenannten Selbstverwaltung mit Vertreter/innen der Krankenkassen, der Ärzteschaft, Patient/innen und Unabhängige) innerhalb eines Jahres die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit diese ab 2013 in den Ländern angewendet werden können. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Länder endlich eine Mitsprache bei der Planung erhalten, eine Forderung, die ich mit Nachdruck teile. Zu den künftigen Planungsgrundlagen gehören auch künftig differenzierte und flexibel handhabbare Planungsbereiche. Berlin ist bisher als Gesamtstadt ein Planungsbezirk, was dazu führt, dass z.B. in der Versorgung mit psychotherapeutischen Leistungen eine erhebliche regionale Ungleichverteilung zwischen wohlhabenderen westlichen und Innenstadt nahen Bezirken und den übrigen führt.
Sie haben Recht, wenn Sie kritisieren, dass die die der Bedarfsplanung zugrunde gelegten Zahlen veraltet und daher vermutlich unzutreffend sind. Auch hier muss der Gemeinsame Bundesausschuss eine neue Grundlage schaffen, die fundiert und nachvollziehbar ist. Denn neuen anderen Zahlen werden z.B. die Krankenkassen, die ja evtl. Mehraufwand zu tragen hätten nur zustimmen, wenn sie plausibel belegt werden. Dies kann auf Länderebene wie in Berlin durch die Psychotherapeutenkammer (PTK) und wissenschaftlichen Sachverstand unterstützt und konkretisiert werden. Sie können sicher sein, dass ich mich auch in meiner Funktion als Vorsitzende des Landesbeirats für Psychiatrie (und Psychotherapie) einer solchen Diskussion nicht verschließen werde. Diese Position habe ich auch gegenüber den Vertreter/innen der PTK mehrfach deutlich gemacht.
Nun zu Ihrer Frage nach dem Psychotherapeutengesetz. Ich könnte es mir leicht machen und darauf verweisen, dass es sich hier um ein Bundesgesetz handelt, dessen Novellierung auch von Berlin seit Jahren gefordert wird. Und erst auf der Grundlage dieser Novellierung können Ausbildungs- und Berufsordnung so gefasst werden, dass auch die Vergütung der obligatorischen Praktika rechtsverbindlich geregelt wird.
Vertreter/innen der Psychotherapeut/innen in Ausbildung (PiA) bei der PTK waren jüngst bei mir um über genau diese Fragen zu sprechen. Ich habe ihnen meine Unterstützung bei der Forderung nach einer schnellen Änderung des Psychotherapeutengesetzes und bei ihren Bemühungen um Tarifverträge von verdi mit den Berliner Krankenhausträgern zugesagt.
Im übrigen verweisen ich und meine Fachleute in der Senatsgesundheitsverwaltung die Krankenhäuser explizit auf die Einhaltung der Personalverordnung Psychiatrie und bei konkreten Hinweisen auf Verstöße wird auch die Krankenhausaufsicht in diesem Sinn tätig.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Lompscher