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Katrin Lechler
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Frage von Dittmar S. •

Frage an Katrin Lechler von Dittmar S. bezüglich Soziale Sicherung

In 2015 kamen laut Migrationsbericht 2,14 Mio. Zuwanderer. Als Beleg sende ich Ihnen diesen Link mit:

https://www.morgenpost.de/politik/article208980241/Rund-zwei-Millionen-Menschen-kamen-2015-nach-Deutschland.html

Wollen Sie die Einwanderung reduzieren, auch mit Blick auf die Automatisierung/ Digitalisierung?

Warum wird- trotz sprudelnder Kassen- nicht mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert? Ich habe im Juni 2017 hautnah erlebt, wie ich bei einer Wohnungbesichtigung einem Flüchtling unterlegen bin. Er hatte Unterstützung von caritativer Seite dabei. Seit Jahren finde ich hier keine geeignete, bezahlbare Wohnung.

Wird illegale Einwanderung nach EU-Freizügigkeitsrecht legalisiert? Wie viele Länder wollen Sie noch in die EU aufnehmen inkl. Personenfreizügigkeitsrecht?

Ich persönlich bekam in der Radiologie erst nach Wochen einen Arzttermin. Ebenso warte ich 8 Wochen auf einen Termin bezüglich eines Parkinsontests.

Wie wollen Sie das in Zukunft beschleunigen?

Wäre es nicht besser endlich mehr Ärzte auszubilden und im Land zu behalten? Wie wollen Sie für Gleichberechtigung bezüglich Kassen-und Privatversicherten sorgen? Ich wurde bei allen telefonischen Terminanfragen erstmal gefragt wie ich versichert bin.

Mit freundlichen Grüßen

D. S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Scherlitzke,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Zunächst mal zu ihren persönlichen, negativen Erfahrungen; Erfahrungen die wirklich keiner machen sollte, aber durch eine verfehlte Sozial- und Finanzpolitik viel zu viele machen.
Der soziale Wohnungsbau ist jahrelang zurückgefahren worden, weil man allerorts neoliberalen Einflüsterungen erlegen ist. Sprich, möglichst wenig öffentliche Daseinsvorsorge, stattdessen Verkauf (immer unter Wert!) an private Investoren. Weil die das angeblich günstiger können. Und aus Menschenliebe handeln und nicht aus Profitgier, haha! Erst als vor einigen Jahren europaweit das Trinkwasser privatisiert werden sollte, sind die Menschen endlich aufgewacht, und haben das mit einer europäischen Bürgerinitiative verhindert.
Aber wir stehen nun da mit zu wenig günstigem Wohnraum, sehenden Auges selbst verschuldet. Es gab schon zu wenig, bevor 2015 die große Anzahl Geflüchteter kam. Jetzt hat's die Situation natürlich verschärft. Aber wie gesagt: Die hierher Geflüchteten sind nicht Schuld daran, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Sie sind jetzt aber Konkurrenten um die Krumen die es gibt. Aber wenn's keine Geflüchteten gäbe, würden vielleicht erst recht keine Sozialwohnungen gebaut. Wir scheinen es ihnen ja fast zu verdanken, dass jetzt überhaupt mal eine große Einsicht eingetreten ist, dass wir bezahlbaren Wohnraum brauchen und zwar viel. Endlich tut sich mal was! Aber bauen dauert halt und die bisherigen Pläne reichen auch nicht.
Wir Grüne möchten deutlich mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren und außerdem eine Wohnungsgemeinnützigkeit fördern. Dabei gibt es Steuererleichterungen für die Bereitstellung dauerhaft günstiger, nicht renditeorientierter Mietwohnungen. Nur wie gesagt, bis ein neues Haus steht, dauert es.
Herr Scherlitzke, ich wünsche Ihnen, dass Sie ganz bald eine Wohnung finden, die bezahlbar ist und daneben auch noch schön! Ich habe einen Fall wie Sie - seit Jahren auf der Suche nach einer guten und bezalhbaren Wohnung, in diesem Fall auch noch behindertengerecht - im engsten Familienkreis, deshalb ist mir das sehr nah, was Sie berichten.

Zu Ärzten und Krankenversicherung: Ja, die Wartenzeiten auf einen Facharzttermin für uns gesetzlich Versicherte sind ein Desaster. Die Grüne Bundestagsabgeordnete Beater Müller-Gemmeke hat gerade vor wenigen Wochen einen neuen Erfahrungsbericht hierzu vorgestellt: Sie hat ihre Mitarbeiter bei Ärzten anrufen und um einen Termin bitten lassen - einmal als angeblich gesetzlich, einmal als angeblich privat versichert. Raten Sie wie das Ergebnis ausfiel! Es ist erschreckend!
Seit letztem Jahr gibt es ja den Anspruch, innerhalb von vier Wochen einen Termin zu bekommen, wenn man einen Dringlichkeitsvermerk auf der Überweisung hat und sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung wendet. Dann verfällt allerdings der Anspruch auf freie Arztwahl, den ich für ein hohes Gut halte; hier geht's schließlich um ein Vertrauensverhältnis.
Also, wir müssen gewiss mehr Ärzte ausbilden. Wir müssen dabei aber auch schauen, dass die ärztliche Versorgung überall gleich gut ist. Bekanntlich tummeln sich jetzt schon besonders viele in attraktiven Großstädten, das nützt den Menschen im ländlichen Raum dann auch wieder nichts. Das muss also besser gesteuert werden.
Und ja, wir müssen das konkurrierende System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, das im schlimmsten Fall mit Menschenleben spielt, beenden. Wir Grüne möchten die Krankenversicherung (genauso wie die Pflege- und die Rentenversicherung) zu einer paritätischen Versicherung umbauen, in die alle Bürger*innen und alle Einkunftsarten einbezogen werden. Das wird zu mehr Gerechtigkeit führen - von Terminvergabe bis Behandlung!
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren Termin jetzt bald bekommen, und dass Sie kein Parkinson haben und wenn aber doch, dass sie gut behandelt werden!
Was das Gesundheitssystem betrifft, haben wir noch einige Vorschläge mehr in petto, aber ich wende mich jetzt mal Ihren weiteren Fragen zu:

Die Einwanderung möchten wir steuern! Durch eine jährliche Festlegung, wie viele Arbeitskräfte es für diesen und jenen Bereich braucht; so viele "Talentkarten" werden dann ausgegeben und damit kann jemand mit entsprechenden Qualifikationen dann nach Deutschland kommen und hat dann ein Jahr Zeit, eine Stelle in diesen Bereichen zu finden. In der Zeit darf er anderweitig jobben, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn es innerhalb eines Jahres nicht klappt, war es das.
Nicht zu verwechseln ist diese Arbeitsmigration mit der humanitären Verpflichtung, Menschen in Not Schutz (Asyl) zu gewähren. Diese Verpflichtung hat jedes Land. Ein reiches Land wie Deutschland, das zudem z.B. durch seine Handeslpolitik auch zum Entstehen von Fluchtursachen beiträgt, hat da eine noch größere Verpflichtung. Wir nehmen allerdings bedeutend weniger Menschen auf (im Verhältnis zur Bevölkerung) als z.B. der Libanon.
Dennoch: Die weltweiten Fluchtbewegungen sind eine globale Herausforderung und müssen deshalb global gelöst werden. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk muss gestärkt werden und die Verantwortung für die Verteilung von Flüchtlingen bekommen. Eine Obergrenze lehnen wir Grüne ab; allerdings gibt es Möglichkeiten, Menschen die bereits in einem Flüchtlingslager sind, zu signalisieren, ob sie eine Chance auf Asyl in Europa haben oder eben nicht. Wenn ja, kann man sie gezielt in ein europäisches Land bringen - ohne dass sie in morsche Schlauchboote steigen müssen - oder aber versuchen, ihnen vor Ort zu helfen. Das ist natürlich der Idealfall; bis wir ein weltweites solches System haben, wird es noch Jahre dauern. Was Europa betrifft - für die Länder die weiterhin keine Geflüchteten aufnehmen wollen (auch wenn ein Gerichtsurteil sie jetzt dazu verpflichtet hat), muss es finanzielle Konsequenzen geben .

Ich ahne nach diesem letzten Absatz die Frage, warum Sie eigentlich nicht merken, dass Sie in einem reichen Land leben; jedenfalls nicht, wenn Sie Ihre persönlichen Lebensumstände und Nöte anschauen. Aber wie sollten Sie, wenn es seit Jahren keine politische Mehrheit für einen Umverteilung von oben nach unten und eine stärkere Beteiligung sehr reicher Menschen an der Finanzierung des Gemeinwesens gibt?! Es wird Zeit für eine solche Mehrheit! Wir Grüne stehen dafür bereit.

Herr Scherlitzke, ich wünsche Ihnen alles Gute!
Bei weiteren Fragen melden Sie sich gerne wieder!

Nette Grüße
Katrin Lechler