Wie stehen Sie zum Selbstbestimmungsrecht der Frauen und zur Abschaffung von §218 in dieser Legislaturperiode?
Sehr geehrte Frau B.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Die selbstbestimmte Schwangerschaft und die Freiheit der Frau, über deren Abbruch nach eigenem Gewissen zu entscheiden, sind ein hohes Gut, das es zu verteidigen gilt. Leider hat sich die Versorgungslage mit Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert. Genau aus diesem Grund hat die Fraktion der Freien Demokraten die Abschaffung des Informationsverbots in § 219a StGB vorangetrieben. Außerdem ist es uns gelungen, sogenannten Gehsteigbelästigungen schwangerer Frauen vor Schwangerschaftsberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, einen Riegel vorzuschieben. Weitere gesundheitspolitische Maßnahmen (z.B. bessere Verankerung der Thematik in der medizinischen Ausbildung, Nutzung des Potentials medikamentöser Abbrüche, bessere Einbindung von Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft) sollten dringend folgen.
Leider wird der nunmehrige Vorstoß einiger Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, § 218 StGB kurz vor Ende der Wahlperiode in seiner jetzigen Form zu streichen, der Komplexität der mit dem Schwangerschaftsabbruch verbundenen ethischen und juristischen Fragestellungen nicht gerecht. Insbesondere ist sein Zeitpunkt denkbar ungünstig gewählt. Denn der Deutsche Bundestag wird keine Gelegenheit mehr haben, die Forderungen in einem für medizinethische Fragen üblichen und geordneten Verfahren zu beraten. Statt der gesellschaftlichen Debatte den ihr zustehenden Raum zu bieten, haben die Antragstellerinnen und -steller den Schwangerschaftsabbruch nun zu einem Wahlkampfthema gemacht. Das halte ich für unangemessen.
Medizinethische Fragestellungen werden im Deutschen Bundestag seit jeher üblicherweise fraktionsübergreifend in Gruppenantragsverfahren behandelt. Jeder und jede Abgeordnete soll bei solch gewichtigen Fragen ausschließlich seinem oder ihrem eigenen Gewissen verpflichtet sein. Ich persönlich erachte die gegenwärtige Regelung zu Schwangerschaftsabbrüchen als einen gesellschaftlich breit akzeptierten Kompromiss, den wir nicht gefährden sollten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bei der Gestaltung des Abtreibungsrechts immer wieder enge Grenzen gesetzt und in der Vergangenheit bereits wiederholt Regelungsversuche, mit denen der nunmehrige Vorstoß teilweise übereinstimmt, für verfassungswidrig erklärt. Das Risiko eines erneuten Scheiterns vor dem Bundesverfassungsgericht ist mithin gegeben. Den bestehenden Kompromiss aufzubrechen, würde zudem bedeuten, eine gesellschaftliche Diskussion mit ungewissem Ausgang für den Status reproduktiver Rechte in Deutschland loszutreten. Die Debatten im Ausland zeigen, welchen gesellschaftlichen Sprengstoff die Thematik bieten kann.
Ich bleibe überzeugt, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, um die Versorgungslage zu verbessern und die Selbstbestimmtheit schwangerer Frauen konkret zu stärken. Der derzeit vorliegende Gruppenantrag zum Schwangerschaftsabbruch ist dazu nach meiner persönlichen Meinung kein zielführender Beitrag.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Helling-Plahr