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Katrin Helling-Plahr
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Frage von Bernd D. •

Frage an Katrin Helling-Plahr von Bernd D. bezüglich Gesundheit

„Gegen den Tod auf der Organwarteliste“ e.V.
Dr. med. B. M.

Sehr geehrte Frau Helling Plahr,

Der Presse habe ich entnommen, dass Sie starke Bedenken gegenüber der Einführung der sogenannten Widerspruchslösung in das deutsche Transplantationsrecht haben.

Wir Mitglieder des Vereins „Gegen den Tod auf der Organwarteliste“ und wir möchten Ihnen gern ein Argument vorstellen, dass in der bisherigen Debatte fast keine Rolle gespielt hat.

Die Organspende wird meist als ein Akt der Barmherzigkeit gegenüber Menschen in Not angesehen. Es geht um eine asymmetrische Beziehung zwischen einem großzügigen Menschen und einem Bedürftigen.

Ist das realistisch? Wir alle können gar nicht wissen, ob wir einmal zu potentiellen Spendern werden, weil wir nach einem dramatischen Ereignis hirntot auf einer Intensivstation liegen, oder ob wir selbst oder ein uns lieber und wichtiger Mensch einmal dringend ein Spenderorgan brauchen wird.

Die zweite Möglichkeit ist übrigens viel wahrscheinlicher: Jedem Organspender werden im Durchschnitt 3,4 Organe entnommen und damit ca. 3 Empfänger versorgt. Wenn jeder Empfänger etwa 9 Menschen hat, für die sein Weiterleben sehr wichtig ist (Kinder, Eltern, Geschwister, enge Freunde usw.), dann profitieren etwa 30 Menschen existentiell von jedem Organspender.

Praktisch niemand, der ein Organ braucht, lehnt eine Transplantation ab. Niemand sagt nein, wenn z.B. das Leben seines Kindes von einer Transplantation abhängt. Eine Ausnahme sind die Zeugen Jehovas. Wenn sie die Transplantation bei ihrem Kind ablehnen, wird ihnen umgehend das Sorgerecht gerichtlich entzogen und danach wieder zurückgegeben.

Wenn es so selbstverständlich ist, ein Organ haben zu wollen, wenn man es braucht, ist dann das Nein zur Organspende moralisch in Ordnung? Ist es dann moralisch akzeptabel, sich mit der Frage nicht beschäftigen zu wollen? Kann man dann nicht verlangen, dass man wenigstens ausdrücklich „Nein“ sagen muss?

Mit v. Grüßen
B. M.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Dr. M.,

auch in der FDP-Bundestagsfraktion gibt es Abgeordnete, die durchaus Sympathien für die Widerspruchslösung hegen. Mehrheitlich hat sich die FDP-Bundestagsfraktion – angelehnt an die Beschlusslage der Parteigliederungen – aber für die verpflichtende Entscheidungslösung ausgesprochen. Diese sieht im Gegensatz zu Ihrem Vorschlag zwar nicht vor, dass man ausdrücklich „Nein“ sagen muss – er sieht allerdings vor, dass man zumindest „Ja“ oder „Nein“ sagen muss.

Die große Herausforderung bei der Organspende ist letztlich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger überhaupt dazu positionieren. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stehen 84 Prozent der Menschen in Deutschland einer Organspende positiv gegenüber, aber nur 36 Prozent verfügen über einen Organspendeausweis. Bei Fragen, die erst im Zusammenhang mit dem eigenen Ableben relevant werden, ist dieses Hinausschieben einer Positionierung ja auch allzu verständlich.
Wenn aber dadurch schließlich den Angehörigen die Entscheidung über eine Organspende aufgebürdet wird, ist das für diese nicht nur extrem belastend, sondern sie entscheiden sich in dieser konkreten Trauersituation auch überdurchschnittlich häufig gegen eine Organspende. Deshalb müssen wir uns der Herausforderung stellen und die Schere schließen zwischen denjenigen, die zur Spende bereit sind, aber diese Bereitschaft bisher nicht dokumentiert haben, und denjenigen, die sich auch tatsächlich bekennen.

Angesichts zuletzt zwar wieder leicht gestiegener, aber immer noch besorgniserregend niedriger Spenderzahlen und überlanger Wartelisten ist der Schluss, dass alle bisherigen Bemühungen nicht ausreichend waren, unausweichlich. Auch wenn die Problematik nicht ausschließlich an der Frage des gesetzlichen Status Quo hängt, müssen wir im Hinblick auf die Frage Zustimmungslösung, verpflichtende Entscheidungslösung oder Widerspruchslösung den nächsten Schritt gehen.

Ich finde, dass die Widerspruchslösung grundsätzlich gut vertretbar ist. In der Abwägung zwischen Selbstbestimmungsrecht – in Form positiver Zustimmung – auf der einen Seite, und Leib und Leben der Betroffenen auf der anderen Seite, kann man zu dem Ergebnis kommen, dass Freiheit in Verantwortung auch bedeuten kann, sich proaktiv dazu bekennen zu müssen, nicht Spender sein zu wollen. Insofern bin ich durchaus Ihrer Meinung, dass es nicht unbedingt zu viel verlangt ist, ausdrücklich „Nein“ sagen zu müssen.

Andererseits bin ich schon der Auffassung, dass wir bei einem solch massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht behutsam vorgehen müssen und das mildeste Mittel zur Steigerung der Organspenderzahlen wählen müssen. Wir sind als Politiker verpflichtet, zunächst den Weg zu gehen, der die Menschen weniger in ihrem Selbstbestimmungsrecht belastet. Das bedeutet, dass wir verpflichtet sind, zunächst den Weg der verpflichtenden Entscheidungslösung zu gehen, bevor wir die Widerspruchslösung als „ultima ratio“ aufrufen.

Es ist unseren Bürgern zuzumuten, dass sie etwa bei der Ausgabe von Ausweisdokumenten dazu angehalten werden, verbindlich eine Erklärung zur Organspende abzugeben. Diese Entscheidung rettet dann Leben. Bereits die Notwendigkeit, sich beim Thema Organspende entscheiden zu müssen, wird die Schere zwischen Spendebereiten und Spendebekennern schließen. Einer Widerspruchslösung bedarf es dazu erst einmal nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Katrin Helling-Plahr

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