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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von René K. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von René K. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Göring-Eckhardt,

auf dem Programmparteitag der Grünen haben Sie sich klar dagegen ausgesprochen, Getrennterziehende im Wahlprogramm auch nur zu erwähnen, um "Alleinerziehende nicht unsichtbar zu machen". Ich bin Vater von zwei Kindern, die ich seit Jahren mitbetreue (zwischen 33% bis 45% Betreuungsleistung), gleichzeitig zahle ich vollen Unterhalt. Die realen Bedarfe der Kinder in meinem Haushalt (Wohnraum, Ausstattung, Naturalien) werden in keiner Weise berücksichtigt, da ich formaljuristisch weiterhin nur als "Umgangselternteil" gelte. Ich lebe also das Modell "zwei betreuen, einer zahlt".
Wenn in diesem Land also seit Jahren etwas unsichtbar gemacht wird, dann sind es Eltern, die sich auch nach einer Trennung um eine gemeinsame Betreuung der Kinder, also um geteilte "Care-Arbeit", bemühen.

Vor diesem Hintergrund folgende Fragen:

1.) Wie wollen die Grünen sicherstellen, dass die realen Bedarfe von Kindern auch beim mitbetreuenden Elternteil anerkannt und berücksichtigt werden?

2.) Das nach derzeitigem Recht ökonomisch rationalste Betreuungsmodell ist der Kontaktabbruch eines Elternteils (weil dann neben dem Unterhalt keine weiteren Kosten entstehen). Wie wollen die Grünen mit diesem familienrechtlichen Fehlanreiz umgehen?

3.) Welche familienrechtlichen Reformen planen die Grünen, um eine gleichmäßige Verteilung von Fürsorge- und Erwerbsarbeit zwischen getrennten Eltern zu fördern?

4.) Warum sollten zeitlich weniger betreuende Elternteile die Grünen nach Ihrem Plädoyer dennoch wählen?

Auf Ihre Antworten bin ich sehr gespannt.

Viele Grüße
René Kuhlemann

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr K.

vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten. Wir möchten das gern etwas umfassender tun. 

Familien wollen wir mit einer Kindergrundsicherung besser unterstützen, egal in welcher Konstellation sie leben. Aber es gibt eine Personengruppe, die hat es schwerer als andere: Alleinerziehende. Es macht einen Unterschied, ob sich Eltern das Kümmern im Alltag, die wichtigen Entscheidungen – überhaupt die Sorge -  teilen oder ob man mit all dem überwiegend allein ist.

In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt knapp 1,5 Mio. Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Das bedeutet, dass in jeder fünften Familie ein Elternteil allein mit seinen Kindern im Haushalt lebt. Häufig ist das die Mutter. Auch wenn sich die Verteilung von Sorgearbeit teilweise gewandelt hat und Väter auch nach der Trennung zunehmend mehr Verantwortung in der Kindererziehung übernehmen: Noch immer leisten vor allem Frauen unbezahlte Sorgearbeit und auch Alleinerziehende sind in etwa neun von zehn Fällen Frauen. Gleichzeitig sind ihre Möglichkeiten nach einer Trennung, die Familie allein finanziell abzusichern, oft schlechter als die von Männern.

Familien sind so vielfältig wie das Leben selbst, so ist auch unser Anspruch an das Familienrecht: vielfältigen Familienkonstellationen gerecht zu werden. Dabei stehen für uns die Kinder und ihr Wohlergehen im Mittelpunkt. Deshalb sind wir dafür, dass nach einer Trennung beide Eltern weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihr Kind tragen und sich entsprechend um ihr Kind kümmern. Wie sich die Eltern diese Verantwortung im Alltag aufteilen, ist eine komplexe Frage und muss individuell beantwortet werden. Bei hohem Konfliktniveau ist das Wechselmodell für Kinder oft sehr belastend. Deshalb braucht es Einzelfallentscheidungen und keine starren gesetzlichen Lösungen. Wir wollen beide Eltern dabei unterstützen, trotz der Trennung gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen.

Um getrennt erziehende Eltern bei der Ausübung ihrer Elternverantwortung zu unterstützen und Kinderarmut entgegenzuwirken, brauchen wir ein ganzheitliches Reformpaket. Dafür müssen rechtliche Hürden, die dem Wechselmodell im Wege stehen, identifiziert und abgebaut werden, etwa im Unterhaltsrecht oder durch einen Umgangsmehrbedarf im Sozialrecht. Änderungen im Unterhaltsrecht müssen ausgleichend und keinesfalls konfliktverschärfend wirken. Wichtig ist, dass Entlastungen des einen Elternteils nicht zu Belastungen für den anderen Elternteil führen. Jede gesetzliche Änderung muss den Vorrang des Kindeswohls gewährleisten und zum Ziel haben, das Einvernehmen der Eltern in Hinblick auf die Belange des Kindes zu fördern und zu unterstützen, weil das Kindeswohl durch die streitige Auseinandersetzung der Eltern belastet wird. Gleichzeitig sollte eine partnerschaftliche Aufteilung der Betreuung nach der Trennung möglich sein und getrennte Eltern sollen dafür bessere Rahmenbedingungen vorfinden.

Nach einer Trennung soll es für getrennt erziehende Eltern bei der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, Mehrkosten für die Ausübung des Umgangs und Betreuungsleistungen müssen angemessen berücksichtigt werden. Bisher werden zusätzliche Ausgaben barunterhaltspflichtiger Elternteile, die ihre Kinder auch miterziehen und -pflegen, steuerlich nicht berücksichtigt. Wir wollen hierfür steuerliche Maßnahmen wie Entlastungsbeträge und Steuergutschriften prüfen, die Getrennterziehende besser unterstützen.  Damit wollen wir auch eine partnerschaftliche Übernahme von elterlicher Verantwortung nach der Trennung fördern. Eltern im SGB II Bezug können sich eine solche Aufteilung der Sorgearbeit oft nicht leisten. Um das zu ändern, wollen wir einen Umgangsmehrbedarf im SGB II einführen.

Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt

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