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Katrin Göring-Eckardt
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Frage von Franz-Josef L. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Franz-Josef L. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,

bitte gestatten Sie mir einige Fragen zum Thema Julian Assange:
Hat er sich mit div. Offenlegungen (z.B.Kriegsverbrechen im Irak) Verdienste erworben?
Unabhängig von der Antwort: Hat jemand das Recht, einen Menschen fortwährend (!)
extrem zu quälen, so wie es ihm widerfährt???
Warum schweigt Deutschland??? Irgendwelche Solidaritätsgründe???
Westliche Werte??? Wird mit zweierlei Mass gemessen (Beispiel Nawalny)???

Bitte gestatten Sie mir aus aktuellem Anlass eine Zusatzfrage:
Auf den Mordanschlag im Iran hört man hier lediglich"allgemeine Aufrufe zur Zurückhaltung". In Kenntnis A L L E R historischen u.aktuellen Zusammenhänge (Abhängigkeiten u. "Verpflichtungen" zwischen den USA, Israel u. Saudi-Arabien):
Wäre eine entsprechende Schuldzuweisung eine Spekulation???
Wie beurteilen Sie, dass die deutsche Politik sich z.B. in Sachen Nawalny (wahr-
scheinlich begründet, aber Alternativen ausschliessend) anders verhalten hat???

Herzlichen Dank für Ihr Bemühen nebst Antwort

Mit freundlichen Grüssen
Franz-Josef Laufenberg

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Laufenberg,

vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.

Über Diplomatie, also die Verhandlung von Interessen zwischen Staaten durch deren Repräsentanten, wird gern gesagt, dass für sie immer eine Tür offen steht. Das bedeutet, dass es dabei sehr auf Feinheiten und Zwischentöne ankommt. Die Wahl der richtigen Strategie ist von den eigenen Interessen und denen des Gegenüber abhängig. Gerade wenn diese Interessen nicht von allen Beteiligten geteilt werden, ist oft ein differenziertes, feinfühliges Vorgehen notwendig. Vieles geschieht auf informellen Kanälen, um, beim Bild bleibend, keine Türen zugeschlagen werden. Das hat oft zur Folge, dass wir nicht immer sehen und erfahren, was "hinter den Kulissen" der Diplomatie geschieht.

Mit anderen Worten: Wir wissen nicht, ob jenseits des von Ihnen genannten Schweigens Deutschlands diplomatische Anstrengungen zur Lösung hinter den Kulissen unternommen werden. Genauso sind auch die Aufrufe zur Zurückhaltung zu deuten. Wir wissen nicht, welche weiteren Anstrengungen zur Vermittlung unternommen werden. Diese Informationen fehlen für eine Bewertung. Im Übrigen halten wir die genannten Fälle aus verschiedenen Gründen nicht vergleichbar.

Was den Fall Assange betrifft: Europa als Wertegemeinschaft hat aus unserer Sicht die Pflicht, das Auslieferungsgesuch der USA für Julian Assange abzulehnen. Wir haben uns als Fraktion für ein europaweites Whistleblower-Schutzgesetz eingesetzt und das zögerliche bzw. vermeidende Vorgehen der Bundesregierung dazu kritisiert, die eine firmeninterne Benachrichtigung über die Enthüllung als Bedingung für den Whistleblower-Schutz verlangte. Außerdem haben wir 2018 als Fraktion einen erweiterten Gesetzesentwurf zum Whistleblower-Schutzgesetz vorgelegt, für den rechtlich geregelten Schutz von Hinweisgebern. Leider ist die Bundesregierung nach wie vor nicht auf dem Niveau der EU-Richtlinie angelangt.

Ein wichtiger Schritt der deutschen Regierung mit erheblicher Symbolkraft wäre es jetzt, sich bei dem Partner Großbritannien gegen eine Auslieferung von Julian Assange an die USA einzusetzen. Denn sollte der Whistleblower, der mit seinem Handeln Kriegsverbrechen aufdeckte, dort wegen Spionage verurteilt werden, würde das die Meinungsbildungs- und Informationsfreiheit international schwächen. Europa sollte sich allein aus seinem Selbstverständnis heraus nicht zum Gehilfen dieser Schwächung der Meinungsfreiheit machen.

Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt

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