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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Barbara S. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Barbara S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Göring-Eckardt,

ich war langjährige Grünen-Wählerin. Nun bin ich entsetzt, dass die Volksabstimmung aus dem Grundsatzprogramm der Partei DIE GRÜNEN gestrichen werden soll. Und ich frage mich, wie Sie das rechtfertigen? Wieso haben DIE GRÜNEN Angst vor Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie, obwohl u.a. die Schweiz zeigt, wie stabilisierend Volksabstimmungen auf das politische System wirken. Das Thema Bürgerräte ist endlich international im Kommen — aber eigentlich schon seit Jahrzehnten in seiner positiven Auswirkung auf verantwortungsvolle, offene Demokratie untersucht. Auch vor diesem Hintergrund können Sie das sinkende Vertrauen in »professionelle« Politik sicherlich nicht aufhalten, indem Sie Bürgerexpertise und Volksabstimmungen weiterhin ausschließen.
Ich bitte Sie dringend, sich für den Erhalt der Volksabstimmung in Ihrem Grundsatzprogramm einzusetzen.
Vielen Dank! ich freue mich auf Ihre Antwort.

Herzliche Grüße!
Barbara Schubert

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.

Kurz gesagt: Weder haben wir Angst vor Bürgerbeteiligung, noch wollen wir Direkte Demokratie unterbinden. Im Gegenteil.

Ein demokratisches Gemeinwesen lebt von breiter Bürgerbeteiligung. Volksabstimmungen sind jedoch nur ein kleiner Teil davon. Hier werden, vereinfacht gesprochen, komplexe politische Sachverhalte auf einfache Ja/Nein - Entscheidungen reduziert. Diesen Entscheidungen gehen aber oftmals komplexe Planungs-, Bewertungs- und Willensbildungsprozesse voraus. Entscheidend ist es also, Bürgerinnen und Bürger mit geeigneten Formaten auch an diesen Vorstufen des Entscheidungsprozesses zu beteiligen, um eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Bürgerbeteiligung ist ein kommunikativer Prozess.

Viele Erfahrungen berichten zudem über die Probleme, die Bürgerbeteiligung mit sich bringen kann: Zeitmangel ist für viele Menschen eine große Hürde für Engagement. Beteiligung ist ungleich verteilt, oft beteiligen sich insbesondere Hochgebildete, Männer, aus gehobenen sozialen Schichten. Organisierte Interessen können solche Verfahren dominieren. Mit diesen Fragen und Problemen müssen wir uns auseinandersetzen, wenn eine demokratische Bürgerbeteiligung gelingen soll. Es gibt kein Patentrezept, immer wieder werden neue Formen erprobt.

Ein vielversprechendes Format, dass in anderen europäischen Ländern bereits zum Einsatz kommt, sind sogenannte BürgerInnenräte. In Irland wurde über solch einen Rat zum Beispiel vor einigen Jahren über die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare beraten. In Frankreich erörtert der Convention Citoyenne pour le Climat das Thema der globalen Erwärmung. In Deutschland tagte im vergangenen Jahr erstmalig der Bürgerrat Demokratie als eine Art Modellprojekt. (https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerrat_Demokratie) Wir setzen uns für solche Bürgerräte ein.

Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt

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