Frage an Katrin Göring-Eckardt von Jörn-Derek G. bezüglich Recht
Abwägung der Corona-Maßnahmen
Guten Tag Frau Göring-Eckardt,
mit den zu erwartenden ansteigenden Erkrankungszahlen (oder definierten Fälle) im Herbst werden nun von der Bundesregierung und von den Ministerpräsidenten wieder eine Vielzahl einschneidender Maßnahmen ausgerufen, die das soziale und wirtschaftliche Leben fast aller Bürger massiv betreffen werden.
Aussagen von Fachleuten lassen erwarten, dass das Beendigen der „Epidemischen Lage nationaler Tragweite“ wohl gut und gerne erst 2022 erfolgen wird; vor allem hier im Zusammenhang mit dem voraussichtlichen Abschluß der angestrebten Impfmaßnahmen.
Meine grundsätzliche Frage an Sie ist nun:
In wieweit habe Sie (oder ihre Fraktion) die Alternativlosigkeit dieser Maßnahmen und, falls klar erkennbar, der zugrundeliegenden Strategie, überprüft ?
Ich möchte mich bei der Beschreibung eines Alternativmodels an der Great Barrington Declaration orientieren: Risikogruppen-Schutz (bei deren Wunsch), die tatsächliche Belastungsgrenze des Gesundheitssystems als akzeptable Grenze für angemessene Verbotsmaßnahmen, normale Hygienemaßnahmen für alle.
Risikogruppen waren schon seit Ende Januar definierbar und die frühe Heinsberg-Studie hält in wichtigen Punkten bis jetzt.
Also konkret:
Wie haben Sie sich ein Bild gemacht, ob die anfangs durchgeführten und nun, in anderer Reihenfolge, wiederholten Maßnahmen angemessen waren/sind; vor allem unter Beachtung der Vorgaben des Grundgesetzes und des Rechtsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit ?
Gern würde ich erfahren,
• welche Anfragen Sie (oder ihre Fraktion) hierzu an die Bundes/Landesregierung gestellt haben,
• welche Antworten es hierzu gab, und
• welche Studien Sie (oder ihre Fraktion) ggf. selbst beauftragt haben, falls die Bundes/Landesregierung nicht oder nicht ausreichend geantwortet hat
Das Parlament als Vertretung des Souveräns war schon seit Monaten in der Pflicht, hier zu hinterfragen und ggf. zu handeln.
Mit freundlichen Grüßen,
Jörn-Derek Gehringer
Sehr geehrter Herr Gehringer,
vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir an dieser Stelle nur für die Arbeit von Frau Göring-Eckardt als Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion antworten können.
In einer Krise, die Auswirkungen in alle gesellschaftlichen Bereiche hinein hat, ist Politik auf wissenschaftliche Beratung angewiesen. Deshalb hat die grüne Bundestagsfraktion bereits vor einigen Wochen die Einrichtung eines unabhängigen, interdisziplinären Pandemierates vorgeschlagen, der das Wissen von Spitzen-WissenschaftlerInnen bündelt und der die Bundesregierung und Bundestag bei Präventionsmaßnahmen wie auch bei der Folgenabschätzung berät. Dabei geht es um die gesundheitlichen Fragen genauso wie im soziale oder ökonomische Folgewirkungen. Notwendig ist vor diesem Hintergrund eine umfassende Betrachtung der Pandemielage, bei der neben ökonomischen und medizinischen Aspekten insbesondere auch Expertise aus dem gesundheitswissenschaftlichen Bereich (Public Health), Bildungswissenschaft, Gender Studies und weiteren Sozialwissenschaften sowie ethische und ökologische Perspektiven in die wissenschaftliche Politikberatung einfließen. Ebenso muss verfassungsrechtlicher Sachverstand herangezogen werden. Den Antrag finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/gesundheit/pandemierat-jetzt-gruenden
Die grüne Bundestagsfraktion steht seit Beginn dieser Krise in einem regen Austausch mit einer Vielzahl von ExpertInnen, die sowohl in die Fraktionssitzung als auch in die verschiedenen Arbeitskreise und Arbeitsgruppen der Fraktion für Input und Debatte eingeladen werden. Dazu sind eine Reihe Anfragen der Fraktion und vor allem eine Vielzahl schriftlicher Fragen der einzelnen Abgeordneten an die Bundesregierung ergangen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir diese hier nicht im Detail auflisten können, zumal kleine/große Anfragen und schriftliche Fragen alle öffentlich sind und auf der Webseite des Bundestages eingesehen werden können. Hier finden sie alle Drucksachen: https://pdok.bundestag.de/index.php?start=drs Diese lassen sich nach Typ (Fragen/Anfragen/Antworten), Wahlperiode und Fraktion filtern. Die schriftlichen Fragen aller Abgeordneten werden einschließlich der Antworten einmal pro Woche als Drucksache veröffentlicht. Zudem finden Sie in diesem Informationsbereich auch die Fachinformationen und Analysen des wissenschaftlichen Dienstes, auf die auch die Fraktion zugreift (https://www.bundestag.de/analysen). Die Fraktion hat keine eigenen wissenschaftlichen Gutachten mit Bezug zur Corona-Pandemie in Auftrag gegeben.
Überdies erlauben wir uns den Hinweis, dass die grüne Bundestagsfraktion seit geraumer Zeit die stärkere Beteiligung des Parlaments in Fragen der Pandemiebewältigung fordern. Nicht zuletzt unseren Anstrengungen ist es zum Beispiel zu verdanken, dass der Bundestag die Feststellung der epidemischen Lage vornehmen muss und nicht der Gesundheitsminister.
Wir fordern diese Beteiligung weiter vehement ein. Ich möchte Sie deshalb gern auf die beiden aktuellen Reden von Katrin Göring-Eckardt und Britta Haßelmann in der Plenardebatte verweisen (https://www.gruene-bundestag.de/themen/corona-krise/fuer-einen-planvollen-einstieg-nach-dem-ausstieg und https://dbtg.tv/fvid/7480404) Zudem möchte ich Sie gern auf die Debatte in der aktuellen Sitzungswoche am Freitag verweisen, bei der auch ein umfassender Antrag der grünen Fraktion auf der Tagesordnung steht.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt