Frage an Katrin Göring-Eckardt von Klaus R. bezüglich Bildung und Erziehung
Liebe Frau Göring-Eckardt,
aus der Bevölkerung hört man oft die Forderung, dass Politiker zumindestens eine Ausbildung oder aber ein abgeschlossenes Studium vorweisen können sollten, bevor sie Berufspolitiker werden oder sogar hohe Staatsämter besetzen. Wie ist Ihre persönliche Meinung dazu? Sollte z.B. jemand, der qualifikationstechnisch gesehen Messdiener oder Laienprediger werden könnte, einen Ministerposten bekleiden dürfen?
Glückauf aus GE
Klaus Robenek
Sehr geehrter Herr Robenek,
vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.
Es gehört zum Wesen einer Demokratie, dass alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes das gleiche aktive wie passive Wahlrecht haben. Wie auch an Wahlrecht selbst werden an die Wählbarkeit aus diesem Grund nur sehr wenige Voraussetzungen geknüpft. Artikel 38 (2) des Grundgesetzes sagt: "(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt." Es gibt also jenseits des Alters keine weiteren Bedingungen, die für politisches Amt oder Mandat zu erfüllen sind. Kein Bildungsgrad, kein Hochschulabschluss, keine berufspraktischen Erfahrungen. Jede Bürgerin, jeder Bürger soll sich zur Wahl stellen können. Wir halten diesen Grundsatz für fundamental für unsere Demokratie.
Aber selbst wenn wir uns auf die Überlegung einlassen: Was wäre denn die richtige, angemessene Qualifikation? Sollten nur Ärzte Gesundheitsminister oder nur Landwirte Landwirtschaftsminister werden? Oder nur Juristen Abgeordnete, weil im Parlament ja die Gesetze verabschiedet werden? Wie wird man dann Außenminister oder Außenministerin? Gar Kanzler oder Kanzlerin? Und glauben sie mir: Es gibt bereits ausreichend Juristinnen und Juristen im Parlament. Politische Entscheidungen werden nicht automatisch besser, weil sie von Fachleuten getroffen wird. Übrigens wird über diese Frage schon seit Jahrhunderten vortrefflich gestritten. Bereits Platon hat in seiner Politeia 400 Jahre vor Christus über die Philosophenherrschaft geschrieben. Allerdings werden diese Philosophenherrscher ihr Leben lang klar von der Gesellschaft separiert und durch anspruchsvolle Ausbildung auf ihre Aufgabe vorbereitet. Man darf zweifeln, dass dies zu lebensnahen politischen Entscheidungen führt. Immanuel Kant schrieb dazu in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" 1795 " „Daß Könige philosophiren, oder Philosophen Könige würden, ist nicht zu erwarten, aber auch nicht zu wünschen: weil der Besitz der Gewalt das freie Urtheil der Vernunft unvermeidlich verdirbt. Daß aber Könige oder königliche (sich selbst nach Gleichheitsgesetzen beherrschende) Völker die Classe der Philosophen nicht schwinden oder verstummen, sondern öffentlich sprechen lassen, ist Beiden zu Beleuchtung ihres Geschäfts unentbehrlich.“
Und in der Tat: Gerade in einem politischen Amt, wie das einer Ministerin oder eines Minister, kommt es viel mehr darauf an, politische Entscheidungen zu treffen und eine größere Behörde führen zu können. Für die fachliche Beratung sorgen die zahlreichen Expertinnen und Experten, die in diesen Behörden arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt