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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Doris J. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Doris J. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
am 11.05.2020 findet die 1. Anhörung zum Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD „zum Bevölkerungsschutz bei einer epidemischen Lage im Bundestag“ statt.
Nach der Lesung ist die Abstimmung im Bundestag für den 14. Mai und die Vorlage zur Wirksamkeit beim Bundesrat am Folgetag geplant. Bereits Mitte Juni soll das Gesetz rechtskräftig werden

Am 30.04.2020 hat sich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in einer an den Bundestag gerichteten Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite geäußert
Einige Auszüge daraus …
„Grundsätzlich ist festzustellen, dass bezüglich der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie fehlende belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse zu Infektionsweg und –gefahr, Erkrankungswahrscheinlichkeit und Wiederansteckungsgefahr, zielführender medikamentöser Behandlung sowie (möglicherweise unter Umständen) mangelnde Behandlungskapazitäten nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Regierung große Unsicherheit auslösen. Dieser Unsicherheit soll nun offenbar mit umfassender Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten begegnet werden. Das hierbei nötige Augenmaß lässt der Gesetzentwurf leider vermissen“.
„Aufgrund der aktuellen Lage der Verunsicherung muss ich befürchten, dass eine solche Dokumentation zu einer missbräuchlichen Verwendung verleiten könnte. Ich weise daher mit Nachdruck darauf hin, dass es sich bei diesen Informationen um Gesundheitsdaten handelt, deren Verarbeitung nach Artikel 9 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) grundsätzlich untersagt und nur unter den in Artikel 9 Absatz 2 DSGVO genannten Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig ist“.

Wie stehen Sie zu den Bedenken, die der Bundesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit schon am 30.04.2020 geäußert hat?
Wodurch sehen Sie sich legitimiert, Gesetze von einer solchen Tragweite während der sogenannten Corona Krise zu ändern?
Wie werden Sie abstimmen?
Für Ihr politisches „Tun und Lassen“ in der Corona Krise werden Sie Rechenschaft ablegen und Verantwortung (politisch, finanziell und juristisch) übernehmen müssen.
Wie darf sich der/die Wähler:in diese konkret vorstellen?

Herzlichen Dank für Ihre aufrichtige Antwort
Doris Jauch-Keil

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020#url=L2Rva3VtZW50ZS90ZXh0YXJjaGl2LzIwMjAva3cyMC1wYS1nZXN1bmRoZWl0LWJldm

https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Transparenz/Stellungnahmen/2020/StgN_zweites-Gesetz-Schutz-bei-epidemischer-Lage.pdf;jsessionid=6C8DB70E1C1DF25D8E7AC85727FE0152.2_cid319?__blob=publicationFile&v=2

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Jauch-Keil,

vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.

Der Gesetzentwurf zum 2. Bevölkerungsschutzgesetz schießt Sicht der grünen Bundestagsfraktion weit über das Ziel hinaus und weist zugleich empfindliche Lücken auf. Minister Spahn will noch mehr Kompetenzen, um Rechtsverordnungen am Bundestag vorbei erlassen zu können. Die pandemische Krise darf keine demokratische Krise werden. Deshalb werden wir auch darauf dringen, dass der Bundestag die Rechtsverordnungen bestätigen muss.

Die von Ihnen genannten Zitate aus der Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten beziehen sich auf eine im ursprünglichen Entwurf vorgesehene Immunitätsdokumentation. Diese aber vorerst auf Eis gelegten Regelungen zur Immunitätsdokumentation sehen wir aus vielerlei Gründen sehr kritisch. Zum einen sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus noch nicht so weit, dass wir mit Sicherheit sagen können, wie lange eine Immunität gegeben ist, auch die Antikörpertests bieten noch keine absolute Sicherheit vor falsch-negativen Ergebnissen.

Zum anderen öffnen Regelungen, welche die Gesellschaft in unterschiedliche Gruppen einteilen, nämlich in immune und nicht-immune Personen, Tür und Tor für soziale Spaltungen und Diskriminierungen. Besonders schwer wiegt zudem, dass diese Regelungen nicht nur auf COVID-19 beschränkt sind. Solche Regelungen müssen gründlich geprüft und abgewogen werden. Mit der Ankündigung, zunächst die Stellungnahme des Ethikrates abzuwarten, bis diese Regelungen weiter beraten oder gesetzlich verankert werden, hat der Bundesgesundheitsminister gerade noch einmal die Kurve gekriegt. Es ist völlig klar, dass er damit auf die zahlreichen Proteste – nicht zuletzt aus unseren grünen Oppositionsreihen – reagiert.

Wir werden weiterhin kritisch die Gesetzesinitiativen der Bundesregierung begleiten.
Auf die längst verlassenen Pfade, auf denen Menschen mit Infektionskrankheiten stigmatisiert und diskriminiert werden, wollen wir keinesfalls zurückkehren, wir als Grüne werden uns lautstark dafür einsetzten, dass auf derartige Gesetzesänderungen verzichtet wird

Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt

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