Frage an Katrin Göring-Eckardt von Laura K. bezüglich Familie
Wie sehen Sie die aktuelle Situation in der Geburtsthilfe bzw. der Hebammenversorgung?
Welche Maßnahmen würden Sie ansetzen?
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Fragen, auf die wir gerne auf Bitte von Frau
Göring-Eckardt eingehen möchten.
Nach Jahren des Rückgangs haben sich die Geburtenzahlen in Deutschland wieder stabilisiert, 2015 sind sie sogar leicht gestiegen. Das ist ein Grund zur Freude und für uns eine weitere Motivation, die Familien in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Die Geburt des eigenen Kindes ist für Eltern eine der prägendsten Erfahrung im Leben – umso wichtiger ist eine persönliche Begleitung durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, die sich der Situation der Mütter und Kinder individuell anpassen kann.
Diese Ansprüche können derzeit jedoch oft nicht erfüllt werden. Zunehmend mehr Schwangere finden keine Hebammen mehr für die Wochenbettbetreuung. Nach einer Erhebung des deutschen Hebammenverbands zu den Arbeitsbedingungen in Kreißsälen, aber auch nach den Erfahrungen vieler Frauen, müssen Hebammen in Kliniken zunehmend drei oder mehr Frauen während der Geburt gleichzeitig betreuen. Die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist neben der geringen Vergütung auch ein Grund, warum immer weniger freiberufliche Hebammen noch Geburten betreuen: Nur noch jede Fünfte bietet Geburtsbegleitungen an, die Hälfte davon nur als 1:1-Betreuung in der Klinik. Aus Sicht von Hebammen und Geburtshelferinnen sind persönliche Zuwendung und das Eingehen auf die Bedürfnisse der Frauen jedoch essentiell. Wir wollen die Zahl der Hebammen in Kreißsälen daher steigern, sodass eine 1:1 Betreuung in wesentlichen Phasen der Geburt möglich ist.
Einzelne Regionen in Deutschland klagen über eine Unterversorgung mit Hebammen und auch die Erreichbarkeit der nächsten Klinik mit Geburtshilfe ist in einigen Regionen aufgrund von Schließungen von Geburtsstationen zum Teil mit bis zu 45 Minuten Fahrtzeit zur nächsten Klinik verbunden. Schließungen auf der einen Seite führen in Großstädten und Ballungsräumen auf der anderen Seite zu Überfüllung.
Wir wollen im Rahmen der regulären Investitionsförderung für Krankenhäuser ein Programm auflegen, mit dem gezielt der Ausbau von Kreißsälen an solch stark gefragten Kliniken gefördert wird. Auch die Ansiedelung von Geburtshäusern in räumlicher Nähe zu Kliniken wollen wir fördern.
Zudem möchten wir Anreize für Hebammen schaffen, gerade in diesen unterversorgten Regionen tätig zu werden, und ihnen im Rahmen ihrer Vergütung ein Sicherstellungszuschlag zahlen. Grundsätzlich muss die Angemessenheit der Hebammenvergütung gesetzlich verbindlicher gestaltet werden und darin auch der zeitliche Aufwand für einzelne Tätigkeiten stärker berücksichtigt werden.
Außerdem wollen wir Mütter, insbesondere auch Alleinerziehende, nach der Geburt stärker unterstützen und den Anspruch auf eine Haushaltshilfe ausweiten. Derzeit haben Frauen nur dann einen Anspruch auf eine Haushaltshilfe, wenn sie aus medizinischen Gründen den Haushalt nicht führen können. Diese Gründe müssen aktuell immer ärztlich bescheinigt werden. Wir wollen, dass auch das normale Wochenbett als solch ein medizinischer Grund anerkannt werden kann, ohne das darüber hinausgehende Beschwerden vorliegen müssen.
Neben der schlechten Vergütung und ständigen Rufbereitschaft, haben die hohen finanziellen Belastungen durch die Haftpflicht in der Vergangenheit bei immer mehr Hebammen und BelegärztInnen dazu geführt, die Geburtshilfe aufzugeben. Insbesondere kleinere Kliniken mit Belegabteilungen wurden dadurch gezwungen, sich mangels Personal aus der Geburtshilfe zurückzuziehen. Um das System der Versicherung für die Geburtshilfe transparent und bezahlbar zu machen, wollen wir die teuren Haftpflichtversicherungen in der Geburtshilfe sowohl bei Hebammen als auch bei ÄrztInnen in ein öffentlich-rechtliches Haftpflichtsystem für alle Gesundheitsberufe überführen.
Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, streben wir auch bei Hebammen und EntbindungspflegerInnen im Krankenhaus Regelungen für eine ausreichende Personalbesetzung an. Die Geburtshilfe wollen wir stärken und insbesondere bei angestellten und freiberuflichen Hebammen für eine bessere Vergütung sorgen. Wir wollen darauf hinwirken, dass im Rahmen der Selbstverwaltung die beteiligten Institutionen neue Vergütungsmodelle zur Stärkung der physiologischen Geburt und Selbstbestimmung der Frauen sowie zur Senkung der Kaiserschnittrate erarbeiten.
Weiterführende und detaillierte Maßnahmen finden Sie hier in unserem
Fraktionsbeschluss zur Geburtshilfe: www.gruene-bundestag.de/files/beschluesse/170328_Geburtshilfe.pdf
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Büro Göring-Eckardt