Frage an Katrin Göring-Eckardt von Uwe D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Liebe Frau Göring-Eckardt,
wie Sie vielleicht wissen, werden Privatdozenten an deutschen Unis jedes Semester zur unentgeltlichen, aber hochqualifizierten Lehrtätigkeit gezwungen, ansonsten droht ihnen der Entzug des durch die Habilitation errungenen Privatdozenten-Titels und damit der Verlust jeder akademischen Karrierechance. Es handelt sich hier um eine wenig bekannte, gleichwohl üble Form der Ausbeutung. Nicht wenige Privatdozenten leben von Hartz IV.
Zur Rechtfertigung wird angeführt, daß man als Privatdozent doch seine Fähigkeiten "pflegen" müsse, um sie eines fernen, schönen Tages einsetzen zu können, wenn man eine Professur bekomme. Als Strafgefangener hingegen wird man für jede Tätigkeit bezahlt, und niemand verlangt beispielsweise von einem Abgeordneten, daß er doch umsonst arbeiten solle, dies diene ja der "Pflege" seine Fähigkeiten, die er darum umso besser nutzen könne, wenn er erst Staatssekretär, Minister oder Kanzler geworden sei.
Mir ist durchaus bekannt, daß Bildung Ländersache ist, allerdings gäbe es sehr wohl Möglichkeiten, über das Arbeitsrecht die Ausbeutung akademischer Arbeitskraft zu verhindern. Wollen Sie hier tätig werden?
Freundlich grüßend
PD Dr. U. D.
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für Ihre Frage. Wir können Ihren Unmut verstehen. Viele Privatdozentinnen und Privatdozenten kämpfen mit schwierigen Bedingungen: Ihre Habilitation begründet noch kein Arbeitsverhältnis. Gleichzeitig sind sie verpflichtet, regelmäßig eigene selbstständige Lehrveranstaltungen anzubieten. Wenn sich im Anschluss an die Habilitation dann über längere Zeit keine Chance auf eine Professur ergibt, kann die unbezahlte Titellehre sehr belastend sein.
Diese Situation entsteht aber vor allem deshalb, weil es insbesondere an den Hochschulen an planbaren und sicheren Karrierewegen fehlt. Das hat u.a. damit zu tun, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen vielerorts im Argen liegt. Aus Bundessicht setzen wir hier insbesondere auf den Hochschulpakt. Er muss verstetigt und besser ausgestattet werden. Davon versprechen wir uns u.a. mehr Dauerstellen für gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auch jenseits der Professur mit der Möglichkeit zur selbständigen Forschung und Lehre.
Der Ansatz der letzten rot-grünen Regierung, über eine Reform des damals noch umfassend gültigen Hochschulrahmengesetzes die Juniorprofessur in Deutschland zu etablieren und damit einen direkteren und vor allem früheren Weg in die Professur zu schaffen, ist leider vom Bundesverfassungsgericht 2004 als verfassungswidrig abgelehnt worden. Seitdem haben wir Grüne darauf gesetzt, dass es auch unterhalb der Professur wissenschaftliche Dauerstellen an den Hochschulen geben sollte, und darauf, das Modell der Juniorprofessur in der Praxis zu unterstützen.
Wir halten Ansätze, die darauf gerichtet sind, Karrierewege in der Wissenschaft vielfältiger zu gestalten und zukünftig mehr Möglichkeiten zu schaffen, für wichtig. Damit meinen wir neue Karrierewege wie die Tenure-Track-Professur, die Alternativen zum traditionellen Weg einer Qualifikation durch Habilitation aufzeigen. Das hilft aber nur zukünftigen Generationen. Für jene Generation von Habilitierten, die schon länger der Situation, wie Sie sie schildern, ausgesetzt sind, ist eine bessere Grundfinanzierung der Hochschulen der einzige Weg. Darüber hinaus wollen wir auch branchenspezifische Mindesthonorare möglich machen. Insbesondere für zeitbasierte Dienstleistungen wie Lehrveranstaltungen wäre das eine Möglichkeit, soziale Mindeststandards sicherzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt