Frage an Katrin Göring-Eckardt von Andreas T. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt
Für den durchschnittlichen Bundesbürger gehört es nicht zum Alltag, Verträge abzuschließen, den Erwerb von Konsumgütern natürlich ausgeschlossen. Wenn es doch einmal vorkommt, ist er in der Regel überfordert, weil er die juristischen Formulierungen nicht versteht. Auch die Umfänge der Verträge werden immer länger und überfordern ihn zusätzlich. Ansonsten bewegen wir uns oft völlig gedankenlos im Alltag, ohne darüber nachzudenken, ob wir gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen verstoßen. Dies ist aber keine Missachtung der aktuellen Rechtsordnung, sondern der Unmöglichkeit geschuldet, unsere Gesetze und Verordnungen in ihrer Gesamtheit zu kennen, geschweige denn zu verstehen. Der Bürger lernt die Einhaltung von Gesetzen nicht durch deren Verständnis, sondern durch Strafen. Was nicht bestraft wird, ist nicht existent. Wenn eine Rechtsordnung ausufert, so dass man für jedes Themenfeld Fachanwälte benötigt, dient sie nicht dem friedlichen Zusammenleben der Menschen, sondern der Bereicherung von Eliten. Das Abschließen von Verträgen mit Kinder ist unzulässig, weil sie die Tragweite nicht verstehen können. Ist das Beschließen von Gesetzen und Verträgen zulässig, wenn nicht alle Abgeordneten die Tragweite erfassen können? Nach meiner Einschätzung ist das bei der Fülle der Beschlüsse allein zeittechnisch unmöglich.
Wieviel Prozent der Abgeordneten müssen ihrer Meinung nach eine Beschlussvorlage verstehen, damit sie Vertragsverbindlichkeit erlangt?
Wieviel Prozent der Bevölkerung müssen Gesetze verstehen können, damit sie Gültigkeit besitzen können, ober anders herum, ab wieviel Prozent Unverständnis sind Strafen nicht mehr gerechtfertigt.
Mit freundlichen grüßen
Andreas Teichmann
Sehr geehrter Herr Teichmann,
vielen Dank für Ihre Frage an Frau Göring-Eckardt. Sie werfen da eine Reihe von Fragen und Themen auf, auf die ich zumindest schlaglichtartig Antworten geben will.
Ich stimme ihnen zu: unser Welt wird komplexer und mitunter kann es schwierig sein, Details einer gesetzlichen Regelung zu verstehen. Bürgerinnen und Bürger bewegen sich nicht so gedankenlos im Alltag, wie sie beschreiben. Die wesentlichen Grundsätze unseres Zusammenlebens sind den Menschen bekannt, Kinder lernen sie in der Schule, die Medien vermitteln sie. Der Respekt vor dem Leben, der Gesundheit und dem Eigentum anderer Menschen gehört genauso dazu, wie die Beachtung der roten Ampel. Nur weil manche Menschen rote Ampeln im Zusammenleben bewusst ignorieren bedeutet noch nicht, dass sie die zugrundeliegenden Regeln nicht kennen.
Ich teile auch ihre Ansicht nicht, dass die Erweiterung der Rechtsordnung nicht dem friedlichen Zusammenleben dient. Gesetze werden für alle Menschen ohne Ansehen der Person gemacht. Wir wissen nicht, auf welcher Seite des Rechts wir einmal stehen werden - ob als Käufer oder Verkäufer zum Beispiel.
Und ja, manche Gesetzesvorhaben, die im Bundestag beschlossen werden, sind kompliziert. Aber die Stärke unserer Demokratie beruht darin, dass es gerade keine Experten und Fachleute sind, die im Parlament ein Vorhaben beraten - sondern Bürgerinnen und Bürger, die einen Querschnitt der Gesellschaft repräsentieren. Entsprechend kompliziert ist der Prozess, in dem Gesetze und Vorhaben entstehen. Mehrfach werden sie geprüft, beraten, diskutiert, von Sachverständigen begutachtet. Abgeordnete, die sich mit einem Themengebiet beschäftigen, arbeiten sich schnell in dieses Gebiet ein, haben zudem zum Zugriff auf Experten, die sie beraten und Ministerien, die Auskunft erteilen. In einem arbeitsteiligen Prozess werden diese Vorhaben in den Fraktionen erörtert, so dass auch andere Abgeordnete sich zu einem Vorhaben eine Meinung Bildung können.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt