Frage an Katrin Göring-Eckardt von tim t. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Göring-Eckardt,
ich hätte mal eine Frage die zwar nicht mehr aktuell ist aber mich trotzdem sehr interessieren würde was speziell eine weibliche Abgeordnete darüber denkt. Und zwar geht es um die Menschenwürde hinsichtlich erzwungenen ärztlichen Untersuchungen. Es gibt viele Bereiche in denen man gesetzlich gezwungen ist sich ärztlich untersuchen zu lassen, z.B. bei Verdacht auf Fahruntüchtigkeit im Straßenverkehr oder noch vor ein paar Jahren war die Musterung eine dieser ärztlichen Zwangsuntersuchungen. Ich möchte die Frage hinsichtlich der Menschenwürde gerne am Beispiel der Musterung konkretisieren. Und zwar gehörte zu dieser Untersuchung auch eine Begutachtung der Genitalien. Diese Intimuntersuchung war es -bis auf die letzten Jahre vor der Abschaffung- generell nicht möglich sie zu verweigern, denn eine Verweigerung zog ein hohes Bußgeld nach sich, den passenden Paragraphen kann man sehr leicht recherchieren. Diese Intimuntersuchung wurde in vielen dokumentierten Fällen -z.B. in der Pilotstudie Gewalt gegen Männer dokumentiert- von Frauen im Blickfeld der meist sehr jungen Schreibkraft durchgeführt, die logischerweise alles mit ansehen konnte und durfte. Ein solches Szenario wäre mit umgekehrten Geschlechterrollen undenkbar gewesen! Nun meine Fragen:
1.Warum wurde seitens der Politik nichts unternommen diese Männerdiskriminierung und Erniedrigung zu beenden?
2. Wie würden Sie diese Situation hinsichtlich Gleichstellung und Gleichberechtigung bewerten, also dass etwas für Männer Alltag war das für Frauen absolut undenkbar wäre?
Letzte Frage: Was denken Sie darüber dass jungen weiblichen Schreibkräften die Möglichkeit geboten wurde, die Intimuntersuchungen mit anzusehen?
Für Ihr Bemühen meine Fragen zu beantworten möchte ich mich bedanken!
Mit freundliche Grüßen
Sehr geehrter Herr Toner,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ein kurzes Wort zur Vorrede: Es ist nicht einfach, in der Rückschau politische Entscheidungen zu bewerten. Dies kann immer nur unter Berücksichtigung des jeweiligen zeitlichen Kontextes geschehen, da sich Werte, Normen und Betrachtungsweisen im Laufe der Zeit verändern. Das führt mitunter dazu, dass politische Entscheidungen revidiert werden oder doch zumindest eine andere Bewertung erfahren.
Aus diesem Grund lassen sich ihre Fragen in der Rückschau auch nicht einfach beantworten. Wahrscheinlich wurde seitens der Politik über viele Jahre hinweg kein Handlungsbedarf gesehen. Es hielt sich die Auffassung, dass medizinisches Personal bei solchen Untersuchungen als neutrale Amtspersonen zu betrachten ist, die eine Untersuchung ungeachtet des jeweiligen Geschlechts durchführen. (Siehe dazu auch die Antwort der Bundesregierung zu einer kleinen Anfrage aus dem Jahr 2007 in der Drucksache des Bundestages 16/5684).
Das eine solche Untersuchung von manchen als Erniedrigung und Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte betrachtet werden könnte, war jedenfalls keine Position, die mehrheitlich geteilt wurde. Tatsächlich sollte aber das Persönlichkeitsrecht der einzelnen Person, ungeachtet des Geschlechts, respektiert und gewahrt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Göring-Eckardt