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Katrin Göring-Eckardt
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Katrin Göring-Eckardt von Wilfried M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
Sie gehen in Ihrer Antwort om 9.12.2014 davon aus, daß Richterinnen und Richter "Gerichtsverfahren nicht mit Blick auf ihre spätere Popularität führen" sollten.
Das verstehe ich nicht.
Warum sollten sich Richter denn nicht anstrengen und vor einer Wahl erst einmal gute Anwälte o.a. sein bzw. -dem Volk verständliche- Urteile in Untergerichten sprechen, wohl wissend, daß die Karriere ein Ende haben kann?

In seiner Streitschrift "Einspruch" bekennt Dr. Norbert Blüm, der nach der Ausbildung in einem handwerlichen Beruf Philosophie - bis zum Abschluß - studierte, nach seiner Jahrzenhnte währenden politischen Laufbahn rückblickend, er habe die Richterschaft immer idealisiert.
Heute übt er heftige Kritik, beschreibt viel Willkür und Arroganz in deutschen Gerichten, beklagt praktisch fehlende Möglichkeiten der Amtsenthebung (1)

Könnte es sein, daß Sie von der Realität in den Gerichtssälen gar keine auf eigener Erfahrung beruhenden Vorstellungen haben?

Was wissen Sie denn darüber, wie viele Verfassungsbeschwerden von dem Bundesberfassungsgericht überhaupt zur Entsch. angenommen werden?

Und glauben Sie wirklich, daß das Volk, das sich von den Parteien ja schon zur Hälfte abgewendet hat, im Gegensatz ausgerechnnet zu Ihnen keine vernünftigen Verfassungsrichter auswählen kann?

Wie kommen Sie darauf?

Auch aus einem weiteren Grund bitte ich um Überarbeitung Ihrer "Antworten" von vorgestern:
Sie haben offenbar den angegebenen ND- Artikel nicht gelsesen, in dem am Ende Evo Morales zitiert wird. In Bolovien gibt es keinen klassischen Richter- Wahlkampf: »Die Wahlen sollen ohne Bevorteilung irgendeines Bewerbers ablaufen«.

Mit frdl. Gruß
Dipl. med. W. Meißner
Facharzt fur Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie a.D.
Verein Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.
Deutsches Institut für Totalitarismusabwehr

1) http://www.huffingtonpost.de/norbert-bluem/einspruch-wider-die-willkuer-an-deutschen-gerichten_b_6286836.html

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Meißner,

Demokratie lebt vom gegenseitigen Zuhören und Rechtsprechung setzt voraus, dass sich ein Richter mit den Ansichten beider Parteien unvoreingenommen auseinandersetzt. Deshalb beantworte ich auch sehr gerne ihre Nachfrage, auch wenn sie mich außerhalb von Abgeordnetenwatch mit Schimpfworten belegen und zu meiner Person empfehlen "Man schiebe diese Leute einfach aus dem Kriegstreiberinnen-Parlament".

Ich will Ihnen ihre Vorurteile nicht nehmen, sondern sachlich antworten, damit sich auch andere Leserinnen und Leser ein Bild machen können. Richterinnen und Richter müssen sich in ihrer Ausbildung allen drei relevanten juristischen Berufe bewähren, dass heißt sie müssen im Rahmen des Referendariats sowohl in der Funktion als Anwalt, Staatsanwalt und Richter arbeiten, bevor sie sich zum 2. Juristischen Staatsexamen anmelden können. Das nachfolgende Auswahlverfahren für den Richterberuf ist sehr anspruchsvoll und es kommen idR nur die Kandidatinnen und Kandidaten mit den besten Noten zum Zug. Viele überbrücken die Zeit des Auswahlverfahrens, in dem sie als Anwalt arbeiten.

Doch weder die deutsche Justiz noch irgendein Rechtssystem auf der Welt arbeitet ohne Fehler. Nur besitzt die Justiz über den Instanzenzug die Möglichkeit, diese Fehler zu korrigieren. Und kein System ist so gut, als das man es nicht verbessern könnte, weshalb wir uns für eine Anhörung der Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt als Bundesverfassungsrichter stark machen. Umgekehrt müsste man sich jedoch fragen, welche Gefahren darin liegen, wenn die Gerichte so entscheiden würden, wie Sie dies persönlich wünschen? Denn was für den Einen " Willkür und Arroganz" ist, ist für den Anderen Gerechtigkeit. Es müssen eben immer beide Seiten gehört werden.

Weil sie noch auf das Beispiel Boliviens abstellten. Wer gibt Ihnen die Sicherheit, dass die Richter, die in Bolivien zur Wahl stehen, die Richter sind, die unparteiisch und unvoreingenommen entscheiden? Bolivien hat sich für die Richterwahlen entschieden, weil gegen wichtige Richter des Landes strafrechtliche Ermittlungen liefen und die Justiz durch viele nicht besetzte Posten handlungsunfähig geworden war. Die Justiz arbeitete nach Ansicht zB der bolivianischen Rechtsanwalte ineffizient und galt als korrupt. Es wurde also nicht ein bestehendes funktionierendes Rechtswesen weiter verbessert, sondern ein funktionsunfähiges System musste ersetzt werden. Deshalb hat sich die bolivianische Regierung für Richterwahlen entschieden, jedoch ohne anfänglich die notwendige Zustimmung in der Bevölkerung zu erhalten, denn 2011 gaben noch 48% der Befragten eine ungültigen Stimmzettel ab.

Da Sie das Bundesverfassungsgericht erwähnen. Verfassungsbeschwerden machen 96 Prozent der Fälle des Gerichts aus. Etwa 80 Prozent der Verfassungsbeschwerden werden von vornherein als offensichtlich unzulässig oder unbegründet abgewiesen. Am Ende sind ca. 2,4 % der Beschwerden erfolgreich und dies sind oft Urteile, die einschneidende Korrekturen an Entscheidungen des Staates vornehmen, wie zB die Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch, die Zustimmung des Parlaments über Auslandseinsätze der Bundeswehr oder die Aufhebung des Gesetzes über die Vorratsdatenspeicherung. Die Kontrolle von Parlament und Regierung durch das Gericht funktioniert und sie funktioniert deshalb, weil das Gericht nicht darauf achtet, ob seine Entscheidungen bei Jedermann Anklang finden.

Mit freundlichen Grüßen,

Katrin Göring-Eckardt

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