Frage an Katrin Göring-Eckardt von Herbert L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Die schwarz-rote Regierung darf nach Auffassung von Experten bestimmte Arbeitnehmer nicht einfach vom geplanten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ausnehmen. Dies könne gegen den Grundsatz im Grundgesetz verstoßen, alle Menschen gleich zu behandeln – zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Wie versteht man dann das die Ostdeutschen schon 24 Jahre einen geringeren Lohn als die Westdeutschen bei gleicher Arbeit haben? Wurde da nicht gegen den Grundsatz verstoßen?
Sehr geehrter Herr Leonhardt,
vielen Dank für ihre Nachricht.
Wir sind der Auffassung, dass Deutschland schon längst einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn hätte einführen müssen, um die Lohnspirale nach unten zu stoppen. Seit 2004 liegen unsere Vorschläge dazu vor. Wiederholt haben wir seit 2005 parlamentarische Initiativen dazu gestartet. Tarifverträge und die Regelungskraft der Sozialpartner bieten keinen hinreichenden Schutz gegen Fehlentwicklungen mehr. In den vergangenen Jahren haben tariflich organisierte Branchen mit sehr niedrigen Entgelten genauso zugenommen wie tariflich nicht organisierte Bereiche mit Niedriglöhnen.
Die vorherige schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich schlicht geweigert, Lohndumping effektiv zu bekämpfen. Die aktuelle Koalition aus CDU/CSU und SPD plant nun zwar einen Mindestlohn ab 2015, dieser wird allerdings lange Zeit ein Flickenteppich bleiben. Der Tarifvorbehalt bis 2017 führt dazu, dass die rund eine Million Beschäftigten, die derzeit weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen und unter einen Tarifvertrag fallen, bis dahin nicht bessergestellt werden. Beschäftigte im Osten verdienen weiter deutlich weniger als ihre KollegInnen im Westen.
Wir fordern, einen zuverlässigen Schutz vor Niedrigstlöhnen in Deutschland sicherzustellen. Dazu haben wir ein Modell vorgeschlagen, das keine Löcher und Falltüren hat und Mindestlöhne für alle Beschäftigten in allen Branchen einführt:
• Wir wollen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro pro Stunde festschreiben, dessen genaue Höhe von der Mindestlohn-Kommission festgelegt und jährlich angepasst wird. Der Mindestlohn ist für alle verbindlich. Mit dieser Untergrenze wird zukünftig Lohndumping zu Lasten der Beschäftigten und Steuerzahler wirksam verhindert.
• Wir schlagen die Einrichtung einer Mindestlohn-Kommission nach dem Vorbild der Low-Pay Commission in Großbritannien vor. Die Mindestlohn-Kommission soll sich aus VertreterInnen der Sozialpartner und der Wissenschaft zusammensetzen. Sie wird die Mindestlohnhöhe unter umfassender Berücksichtigung der sozialen und ökonomischen Auswirkungen festlegen.
• Wir wollen die Einführung von weiteren branchen- und regionalspezifischen Mindestlöhnen ermöglichen, die über dem allgemeinen Mindestlohn liegen. So können Mindestarbeitsentgelte für einzelne Wirtschaftszweige bundesweit oder regional auch oberhalb der Lohnuntergrenze festgesetzt werden und allgemeine Gültigkeit erhalten.
• Dafür wollen wir auch die Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für alle Branchen. Eine Beschränkung auf Tarifverträge einzelner Branchen wie bisher, ist weder europarechtlich geboten noch inhaltlich gerechtfertigt. Das bremst die schleichende Erosion des Tarifvertragssystems und stärkt die Tarifautonomie.
Die bestehende durchschnittliche Lohnungleichheit zwischen Ost und West mit dem Argument des Gleichheitsgrundsatzes im Grundgesetz zu kritisieren, ist eine sehr grundsätzliche Beurteilung. In Artikel 9 des Grundgesetzes ist die Tarifautonomie festgehalten. Die Tarifverhandlungen sind dezentral organisiert und lassen regionale Unterschiede zu. Die regionalen Unterschiede der Lohnniveaus hängen also stark von den grundsätzlichen Lohnverhandlungen und Tarifverträgen der Tarifparteien ab.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Göring-Eckardt