Frage an Katrin Göring-Eckardt von Nicole G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
wenn die Geldschöpfung durch die deutsche Zentralbank quasi an die europäische Zentralbank abgegeben wurde, entsteht die Frage:
Welchen Einfluss hat die deutsche Zentralbank uns vor Inflation zu schützen, wenn derzeit Herr Weidmann an diesem runden Tisch mit den anderen nationalen Zentralbänkern sitzt und als alleiniger gegen neue Schulden stimmt, durch die anderen Länder überstimmt wird und somit die Entwertung der Währung mit einhergehender Inflation durch Gelddrucken gnadenlos weiter geschieht und uns in die Verschuldung schickt und damit die schleichende Verarmung?
Durch die einzutreibenden Zinsen, die über die Steuern vom Staat von uns eingefordert werden, wird uns durch die exponentielle Zinswachstumsfunktion immer mehr die Luft zum Atmen genommen.
Warum macht der Staat bei der schleichenden Umverteilung von Arm nach Reich mit?
mfg, Nicole Grothey, Göttingen
Sehr geehrte Frau Grothey,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Die Inflationsrate in Deutschland liegt im Durschnitt der letzten 10 Jahre bei 1,65%, derzeit liegt sie bei 1,9%. Damit war die Inflationsrate seit Einführung des Euro deutlich unterhalb des Zielwerts von 2%. Zu D-Mark Zeiten, als die Geldschöpfung alleine durch die Bundesbank bestimmt wurde, lag der Durchschnittswert bei 2,7%. Die Annahme, die EZB und ihr oberstes Entscheidungsgremium, nämlich der EZB-Rat, könnten Inflation nicht ernst nehmen, hält diesen Zahlen aus unserer Sicht nicht stand.
Auch von "Gelddrucken" kann keine Rede sein. Die Geldmenge M3, die als Indikator für die nachfragewirksame Geldmenge in der Eurozone von der Bundesbank und der EZB herangezogen wird, ist seit der Krise deutlich langsamer gewachsen als davor. Das liegt daran, dass nicht nur die Zentralbank in der Lage ist Geldschöpfung zu betreiben, sondern auch jede normale Geschäftsbank. Vergibt eine Bank etwa einen Kredit, schreibt sie dem Kunden das Guthaben einfach auf seinem Konto gut. Diese Geldschöpfung der Geschäftsbanken ist seit der Krise deutlich zurückgegangen und ist ein Grund, warum die Inflationsrate derzeit deutlich unterhalb des historischen Durchschnitts liegt.
Des Weiteren führen Sie die exponentielle Zinswachstumsfunktion als Problem an. Die Inflation ist aber genau das Ventil, das der exponentiellen Zinswachstumsfunktion ihre Gefahr nimmt. Immer dann, wenn die Sparzinsen oberhalb der Inflation liegen, führt der Zinseszinseffekt tatsächlich zu einer Umverteilung von arm zu reich, da vermögende Menschen in diesem Fall noch mehr Vermögen erwerben, ohne dafür zu arbeiten. Liegen die Zinsen aber unterhalb der Inflationsrate, findet eine Umverteilung von reich zu arm statt, da Vermögen an Wert verliert. Wenn gleichzeitig die Löhne mindestens so stark ansteigen wie die Inflation, können Menschen mit durchschnittlichem Einkommen sich mehr leisten, während Reiche mit hohem Geldvermögen nur noch etwas weniger Waren in Relation zu ihrem Vermögen erwerben könnten als vorher.
Auf lange Sicht haben insbesondere hohe Inflationsraten aber große Nachteile. So senken sie die Bereitschaft, langfristig zu investieren und können damit Arbeitsplätze gefährden. Außerdem führen hohe Inflationsraten zu einem immensen Vertrauensverlust in die Währung.
Wenn trotz der derzeit extrem niedrigen Inflationsraten von einigen Interessensgruppen die Angst vor Inflation geschürt wird, darf man deren Motivation nicht vergessen. So haben etwa Immobilienmakler, Immobilienfonds und Goldverkäufer enorm von der Angst vor Inflation profitiert. Dabei ist der Goldpreis alleine seit Oktober 2012 von 1800 $ je Feinunze auf 1350 $ heute gefallen - der Vermögensverlust durch eine Goldinvestition betrug dabei in weniger als einem Jahr 25% und entspricht dabei knapp 15 Jahren Inflation, wenn man die Rate der letzten 10 Jahre als Maßstab zugrunde legt. Auch Anleger von Immobilienfonds haben viel Geld verloren, während die Fonds und ihre Manager abkassiert haben. Für diese Fonds ist die Angst vor Inflation das beste Verkaufsargument, weshalb sie grundsätzlich immer vor Inflation warnen werden.
Inflation kann jedoch nur entstehen, wenn die Kapazitäten in der Wirtschaft ausgeschöpft sind. Das bedeutet, dass etwa die Arbeitslosigkeit niedrig und die Arbeitskräfte knapp sind, sodass die Bedienung zusätzlicher Nachfrage nur durch Neueinstellungen zu höheren Löhnen möglich ist. Diese höheren Produktionskosten werden dann auf Produkte umgelegt. In der Eurozone ist derzeit das Gegenteil der Fall. Die Arbeitslosigkeit in Südeuropa hat Höchststände erreicht. Selbst wenn die Geldmenge stärker zulegen würde, würde das zusätzliche Geld auf vorhandene Kapazitäten treffen. Von steigenden Produktionskosten durch höhere Löhne bei Vollbeschäftigung, wie dies etwa in Deutschland in den 60ern und 70ern der Fall war (wo die Inflationsraten auch deutlich höher lagen), sind wir noch weit entfernt.
Entsprechend beurteilen wir die Arbeit der Europäischen Zentralbank als positiv. Die niedrigen Inflationsraten seit Einführung des Euro sind dabei das beste Zeugnis.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Katrin Goering-Eckardt