Frage an Katrin Göring-Eckardt von André M. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Göring-Eckardt,
zunächst einmal möchte ich Ihnen zu Ihrer Wahl als Spitzenkandidatin Ihrer Partei für die kommende Bundestagswahl gratulieren. Als aktiver Katholik freue ich mich, daß eine christlich geprägte Politikerin die Grünen anführen wird.
Nun zu meiner Frage: Warum lehnen Sie das Betreuungsgeld ab?
Sind es ideologische Gründe? Ich habe im Fernsehen Ihre Bundesdelegiertenkonferenz verfolgt und bin immer wieder auf die mehr oder weniger offene Aussagen gestoßen, daß Kinder nur vernünftig gedeihen können, wenn sie auch schon vor dem dritten Lebensjahr in der Kindertagesstätte bzw. Krippe erzogen werden. Trauen Sie den Eltern keine vernünftige Förderung ihrer Kinder zu?
Oder sind es Kostengründe? Dann möchte ich wissen, warum Sie gegen eine finanzielle Gleichbehandlung von Krippenerziehung und elterlicher Erziehung sind. Denn während die öffentliche Hand jeden Krippenplatz im Monat mit mehreren hundert Euro fördert, ist Ihnen für die elterliche Erziehung schon der geringe Förderbetrag von 150 Euro zu teuer.
Mit freundlichen Grüßen,
André Meyer
(nicht aus Bayern und kein CDU/CSU-Wähler)
Sehr geehrter Herr Meyer,
vielen Dank für Ihre Frage zum Betreuungsgeld. Wir Grüne sind klar gegen die geplante Einführung eines Betreuungsgeldes. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Das Betreuungsgeld würde begünstigen, dass insbesondere Kinder, die in ihrer Familie wenig Unterstützung und Förderung erfahren, nicht in eine Kita gehen. Es ist also nichts anders als eine Kita-Fernhalteprämie. Denn das einzige Auszahlungskriterium besteht darin, ob ein Kind eine Kita besucht oder nicht. Erfahrungen in Ländern, in denen es ein Betreuungsgeld gibt, zeigen, dass so ein falscher Anreiz gerade für bildungsferne Eltern gesetzt wird, ihren Kindern frühkindliche Bildung vorzuenthalten. Die ehemalige Bildungsministerin Ursula von der Leyen hat das Betreuungsgeld vor diesem Hintergrund richtigerweise als „bildungspolitische Katastrophe“ bezeichnet. Wie absurd diese Kita-Fernhalteprämie ist, zeigt sich auch daran, dass das Betreuungsgeld auch an Eltern ausgezahlt werden soll, die ihre Kinder nicht selbst zuhause erziehen, sondern diese beispielsweise durch eine Kinderfrau oder ein Au-Pair betreuen lassen. Warum mit dem Betreuungsgeld eine besondere Würdigung der Erziehungsleistung dieser Eltern erfolgen soll, während Eltern, deren Kinder ein paar Stunden am Tag oder in der Woche in eine Kita gehen leer ausgehen, bleibt völlig schleierhaft.
Wir Grüne halten das Betreuungsgeld auch aus gleichstellungspolitischen Gründen für völlig falsch. Denn es setzt gerade für junge Mütter einen Anreiz, nicht beziehungsweise erst spät wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Das schwächt die Situation junger Eltern und Mütter auf dem Arbeitsmarkt, erschwert die Rückkehr in den Beruf und ist mittel- und langfristig ein Problem bezüglich des Erwerbs einer eigenständigen Absicherung. Das Betreuungsgeld muss in diesem Zusammenhang auch verfassungsrechtlich kritisch gesehen werden, weil das deutsche Grundgesetz den Gesetzgeber verpflichtet, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern befördert. Mit dem Betreuungsgeld würde aber das Gegenteil passieren und die herkömmlichen Rollenmuster befördert.
Als Argument für die Einführung des Betreuungsgeldes wird eingewandt, es würde Wahlfreiheit hergestellt zwischen dem Besuch der Kita und der Erziehung eines Kindes zuhause. Tatsache ist aber, dass Eltern keine Wahlfreiheit haben, weil es nicht genügend Kita-Plätze gibt und nicht, weil es kein Betreuungsgeld gibt! Deshalb muss der Fokus der Politik ganz klar darauf ausgerichtet sein, ausreichend und auch qualitativ gute Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Das Geld, das für das Betreuungsgeld vorgesehen ist, wäre für einen besseren Kita-Ausbau viel sinnvoller eingesetzt.
Wir Grüne wollen Familien und das Leben mit Kindern unterstützen. Eltern brauchen Zeit für ihre Kinder, sie brauchen eine gute materielle Absicherung und sie brauchen gute Strukturen wie Kitas und Ganztagsschulen. Das Betreuungsgeld halten wir aber für den falschen Weg.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Katrin Göring-Eckardt