Frage an Katrin Göring-Eckardt von Artur S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Guten Tag Fr. Göring-Eckardt,
was sagen sie zum Preisansteig von 75 % für Mais, Weizen und Zucker in den letzten 6 Monaten?
Sehen sie einen Zusammenhang hinsichtlich Biosprit und Biomasse?
Wie finden sie die Tank- oder Teller-Debatte?
MfG.
Artur Spielvogel
Sehr geehrter Herr Spielvogel,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage. Auch wenn die prozentuale Höhe des Preisanstieges für Grundnahrungsmittel je nach Datengrundlage unterschiedlich stark bewertet wird betrachte auch ich die von ihnen benannte Entwicklung mit Sorge. Die Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln in den vergangenen drei Jahren sowie die Auswirkungen der weltweiten Wirtschafts-und Finanzkrise haben dazu geführt, dass die Zahl der Menschen, die an Hunger leiden, weiter gestiegen ist, anstatt zu sinken. Eigentlich hatte sich die Weltgemeinschaft bei der Jahrtausendwende selbst das Ziel gesetzt, die Zahl der weltweit Hungernden bis 2015 zu halbieren. Von diesem Ziel sind wir leider sehr weit entfernt.
Die Gründe für die Welternährungskrise sind vielfältig und liegen tief. Agrar-Kraftstoffe alleine dafür verantwortlich zu machen verkürzt die Problematik und lenkt von den Fehlern einer falschen Politik ab. Bislang werden erst auf gut 2% der weltweiten Anbaufläche Energiepflanzen angebaut. Allerdings mit steigender Tendenz. Um einer wachsenden Flächenkonkurrenz entgegenzuwirken müssen schnellstmöglich Korrekturen in der Biotreibstoff-Politik vorgenommen werden. Die Nutzung von pflanzlichen Rohstoffen für die Kraftstofferzeugung darf unter keinen Umständen zu Lasten der Nahrungsmittelsicherheit gehen. Auch dürfen für den Einsatz von Agro-Kraftstoffen weder Regenwald noch Moore vernichtet werden. Daher sagen wir Grüne ganz klar: Kein Import von Biokraftstoffen, wenn der entwicklungs- und umweltpolitische Nutzen nicht garantiert ist.
Die Politik ist gefordert, in der Frage „Tank vs. Teller“ starke Leitplanken einzuziehen, die dafür sorgen, dass die energetische Nutzung der Biomasse gleichzeitig eine positive Klimabilanz aufweist und weder das Hungerproblem verschärft noch zu Lasten der biologischen Vielfalt geht.
Die Schaffung eines Zertifizierungssystems, das verbindliche ökologische und soziale Standards für den Anbau von Energiepflanzen und die Produktion von Agrotreibstoffen festlegt, ist notwendig, reicht aber nicht aus, um auch die Ausweicheffekte zu erfassen. Die internationale Gemeinschaft kommt nicht darum herum, die gesamte Politik von Ländern, die Energiepflanzen oder Agrotreibstoffe exportieren wollen, unter die Lupe zu nehmen und auf ihre Nachhaltigkeit zu bewerten. Die auf europäischer und nationaler Ebene inzwischen verabschiedeten Nachhaltigkeitstandards reichen bei weitem nicht aus. Sie müssen dringend erweitert und weltweit durchgesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Katrin Göring-Eckardt