Frage an Katharina Dröge von Klaus R. bezüglich Finanzen
Liebe Frau Dröge,
laut der "Welt" mahnen Sie einen fairen Wahlkampf an.
In Zeiten von Maskendeals auf der einen und "vergessenen" zeitnahen Meldungen von Nebeneinkünften auf der anderen Seite, meinen Sie da einen Wahlkampf nach dem Motto "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" oder wie ist das mit dem fairen Wahlkampf zu verstehen?
Viele Grüße und besten Dank im Voraus
K. R.
Sehr geehrter Herr Robenek,
vielen Dank für Ihre Frage. Wir Grüne setzen uns für einen fairen Bundestagswahlkampf 2021 ein. Der grüne Parteirat hat am 10. Mai 2021 folgenden Beschluss gefasst:
Wir wollen unsere Demokratie stärken und verteidigen sie deshalb gegen intransparente Beeinflussungsversuche und Angriffe auf den Wahlprozess und Wahlkampf. Wir streiten leidenschaftlich für unsere Werte und Ziele. Wir sind uns sicher: politischer Streit und die Auseinandersetzung über den besten Weg und die besten Ideen sind Lebenselixiere unserer Demokratie. Dieser Streit kann kontrovers und auch mal zugespitzt in den Botschaften und Aktionen ausgetragen werden – aber er muss immer fair bleiben. Das gilt besonders für einen vorrangig digitalen Wahlkampf. Dafür setzen wir uns ein.
In den vergangenen vier Jahren gab es leider nur geringe Fortschritte, was die Absicherung fairer, transparenter und unbeeinflusster digitaler Wahlkämpfe angeht. Zu gesetzlichen Verpflichtungen war die Große Koalition nicht bereit. Dies wollen wir in der kommenden Legislaturperiode ändern und uns in Deutschland und Europa für klare Regeln und eine bessere Kontrolle stark machen, dazu gehört auch die Unterstützung entsprechender Monitoring-Stellen.
Wir legen deshalb eine eigene Selbstverpflichtung für einen fairen Wahlkampf vor. Mit dieser Selbstverpflichtung binden wir uns als Bundespartei. Unsere Mitglieder, Gliederungen und Unterstützerinnen und Unterstützer informieren wir darüber. Bei unseren politischen Mitbewerber*innen werben wir weiter für eine gemeinsame Selbstverpflichtung.
Für das Wahljahr 2021 beschließen wir folgende Leitlinien für einen fairen Wahlkampf:
1. Demokratie lebt vom Mitmachen. Wir werden unsere Mitglieder und Unterstützer*innen bitten, sich aktiv in die politischen Diskussionen einzubringen. Dabei soll in gegenseitigem Respekt voreinander um die richtigen Lösungen gerungen und mit offenem Visier gestritten werden. Das bedeutet für uns auch: Wenn Parteien die Absenderinnen einer Botschaft sind, muss dies klar erkennbar sein. Sei es in der Online-Diskussion, beim Teilen von Inhalten oder auch bei bezahlter Werbung. Medien, Wissenschaft und Zivilgesellschaft müssen umfassend Zugang zu den entsprechenden Daten der Werbebuchungen bekommen, um somit eine umfassende Transparenz herzustellen. Wir werden als Partei regelmäßig im Wahlkampf, mindestens einmal die Woche, eine Übersicht über unsere digitalen Werbemaßnahmen öffentlich zugänglich machen bzw. auf die öffentlichen Register der Anbieter hinweisen. Bei Bedarf werden wir dazu auch mit Dritten aus der Zivilgesellschaft oder Wissenschaft kooperieren.
Die großen Online-Werbeanbieter bieten mit ihren riesigen Datensilos ein umfassendes und datenschutzrechtlich sehr bedenkliches System mit granularen Einstellungsmöglichkeiten für die Ansprache von Zielgruppen an. Dieses Targeting wollen wir beschränkt auf die Merkmale Alter, Ort, Geschlecht und Interessen nutzen. Als Partei beteiligen wir uns intensiv an allen Möglichkeiten, die sich für den demokratischen Wettstreit bieten. Wir gewähren insbesondere freien Zugang zu öffentlichen Online-Angeboten wie auch der Presse Zugang zu unseren öffentlichen Veranstaltungen.
2. Wir führen den Wahlkampf mit Fakten und Argumenten. Der bewussten Verbreitung von Falschmeldungen, gefälschten Zitaten, persönlichen Diffamierungen und Lügen stellen wir uns weiterhin entschieden entgegen. Wir werden entschlossen dagegen vorgehen, dass sie Teil der Wahlkampfauseinandersetzung werden. Wir lehnen es ab, sensible persönliche Informationen, beispielsweise durch Doxing gewonnen, zur eigenen Profilierung zu gebrauchen. Das Gleiche erwarten wir von allen Parteien, die zur Wahl antreten. Bei Veröffentlichungen durch Dritte, erkundigen wir uns im Zweifel zunächst bei den Betroffenen, ob die Meldung wahr ist und ob sie durch Manipulation oder durch die Nutzung entwendeter Daten entstand. Bei geleakten Daten spielt die Quelle eine besondere Rolle für die Einordnung. Objektive Berichterstattung von Journalist*innen und Medien, die journalistische Gütekriterien einhalten, haben eine wichtige Rolle im Kampf gegen bewusst verbreitete Falschdarstellungen. Plattformen und Soziale Netzwerke müssen zudem Voraussetzungen schaffen, Desinformationskampagnen zeitnah zu unterbinden. Das gilt auch für Kampagnen mit offensichtlich nur zu diesem Zweck erstellten Accounts.
Wir stellen Informationsangebote zur IT-Sicherheit bereit, damit sich unsere Parteimitglieder und Kandidat*innen besser vor IT-Angriffen schützen können, zum Beispiel bei Themen wie sichere Passwörter, 2-Faktor- Authentifizierung oder den Schutz von Profilen in Sozialen Netzwerken.
3. Mit Hilfe von technischen Möglichkeiten, sogenannten Social Bots, wird die öffentliche Meinung künstlich verzerrt. Einige wenige nutzen technisches Wissen, um Zuspruch vieler zur eigenen Meinung vorzutäuschen und Inhalte weit im Netz zu streuen. Das lehnen wir ab, denn automatisierte Propaganda und gezielte Desinformation können keine Mittel demokratischer Auseinandersetzung sein. Klar gekennzeichnete automatisierte Kommunikationssysteme, um beispielsweise Fragen zum Wahlprogramm zu beantworten, können allerdings eine sinnvolle Hilfe für Bürger*innen sein. Unser Ziel ist es, eine intransparente Beeinflussung demokratischer Willensbildungsprozesse zu verhindern. Selbstverpflichtungen sind ein erster wichtiger Schritt, reichen aber unseres Erachtens nicht aus. Darüber hinaus werden wir uns für weitere Anstrengungen bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen einsetzen, um den manipulativen Einsatz von automatisierten Kommunikationssystemen auf digitalen Plattformen zu identifizieren, transparent zu machen und so gut es geht zu unterbinden.
4. Wir informieren auf den sozialen Plattformen und setzen auf Dialog mit den Nutzer*innen. Themenbezogene Werbe- und Unterstützer*innen-Aktionen durch gezieltes Ausspielen von politischen Positionen sind ein legitimes Mittel, um möglichst viele Menschen im Netz auf unsere Positionen hinzuweisen und in den Dialog zu treten. Wir gehen transparent damit um und nutzen die Möglichkeiten der gezielten Wähleransprache nur im Rahmen der hohen deutschen und europäischen Datenschutzstandards und in enger Absprache mit den zuständigen Aufsichtsbehörden. Fake-Follower, Likes oder Kommentare für Social Media Seiten zu kaufen, lehnen wir als manipulatives Mittel ab. Der Absender von bezahlter Werbung muss klar erkennbar sein. Wo immer Social-Media-Redakteur*innen oder andere Mitarbeiter*innen im Auftrag unserer Partei kommentieren, machen wir das als Äußerung der Partei kenntlich bzw. weisen im Profil auf das Arbeitsverhältnis hin. Wir akzeptieren keine bezahlten Äußerungen und keine gesteuerte Stimmungsmache aus ausländischen Trollfabriken.
5. Antisemitische Stereotypen, rassistische, sexistische, verschwörungsideologische, verleumderische oder beleidigende Inhalte und gewaltverherrlichende Kommentare werden auf unseren Seiten nicht geduldet. Unsere Social-Media-Redakteur*innen werden Verstöße gegen die Netiquette und strafbare Meinungsäußerungen zum Schutze der Betroffenen möglichst zeitnah ahnden, dies führt auch dazu, dass wir Nutzer*innen blocken. Wenn die Grenze zur Strafbarkeit überschritten ist, bringen wir entsprechende Kommentare konsequent zur Anzeige, die Anzahl der Anzeigen nennen wir öffentlich. Wir behalten uns rechtliche Schritte auch vor, wenn gegen das Recht am eigenen Bild oder Ton verstoßen wird oder um gegen die Verbreitung von Unwahrheiten vorzugehen.
6. Um den Kampf gegen Hate Speech erfolgreich weiterführen zu können und noch effektiver zu gestalten, suchen wir auch den Austausch mit den Vertreter*innen der großen Social-Media-Plattformen, die in der Vergangenheit ihrer großen gesellschaftlichen Verantwortung leider oftmals nicht gerecht geworden sind. Hier setzen wir uns weiterhin auch für neue gesetzliche Regelungen sowohl auf deutscher wie europäischer Ebene ein, auch und v.a. bezüglich der Legitimität und Transparenz politischer Werbung. Selbstverpflichtungen der Anbieter reichen uns hier nicht. Kurzfristig sind weitere Schritte dringend nötig: Offensichtliche Falschinformationen müssen mit einem entsprechenden Disclaimer versehen und dürfen nicht weiter verbreitet werden. Soweit einmal als rechtswidrig festgestellte Inhalte in Form eines Memes, Bild, Audiobeitrages oder Videos erneut als identische Inhalte öffentlich zugänglich gemacht werden, müssen diese Uploads nach Meldung umgehend gelöscht werden, wenn kein Ausnahmegrund vorliegt, zum Beispiel in Form einer journalistischen oder wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Unwahren Behauptungen auch aus unseren eigenen Reihen werden wir entschieden entgegentreten. Für Mitglieder, die von Angriffen von Rechts betroffen sind, haben wir eine Anlaufstelle geschaffen. Über Falschmeldungen zu unserer Partei und unseren Kandidat*innen klären wir auf und bieten eine Möglichkeit, diese zu melden.
7. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Parteienfinanzierung und zum Datenschutz geben unserem Handeln im Wahlkampf einen klaren Rahmen vor. Wir fordern weiterhin, die Veröffentlichungsgrenzen für Parteispenden abzusenken, diese zu deckeln und auf natürliche Personen zu beschränken. Für Parteisponsoring wollen wir Regeln einführen, etwa die Veröffentlichung ab dem ersten Euro. Wir wollen die demokratische Auseinandersetzung stärken und lehnen daher Störaktionen gegenüber den demokratischen Mitbewerbern ab, wie auch Vandalismus an Wahlkampfplakaten.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Dröge