Frage an Katharina Dröge von Jonathan G. bezüglich Medien, Kommunikation und Informationstechnik
Sehr geehrte Frau Dröge,
wo sehen Sie die Chancen der Digitalisierung und allgemein des Internets für ihre Partei und denken Sie, dass diese Chancen bis zum jetzigen Zeitpunkt ausreichend genutzt wurden?
Sehr geehrter Herr Guckenhan,
vielen Dank für Ihre Frage zu der Position meiner Partei und mir in Bezug auf Digitalisierung und Internet. Wir als Grüne Bundestagsfraktion kämpfen für eine gerechte, nachhaltige und innovationsfreundliche Gestaltung der Digitalisierung und ein offenes Netz. Der digitale Wandel verändert alle Lebensbereiche – ob Arbeit, Wirtschaft oder Bildung. Die politische Gestaltung des digitalen Umbruchs lahmt seit Jahren und Deutschland verliert den Anschluss. Gleichzeitig stehen mühsam erkämpfte Bürgerrechte unter Druck. Digital- und Netzpolitik ist für uns eine zentrale Querschnittsaufgabe für eine moderne und gerechte Gesellschaft. Die Themen sind vielfältig: Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und Quantencomputing, ressourcenschonende IT und Ressourcen schonen durch Digitalisierung, zukunftsfeste Telekommunikationsnetze und digitale Verwaltungsangebote, digitale Bürgerrechte oder Urheberrecht, Datenschutz, Hass im Netz oder der Beitrag von digitalen Lösungen zur Bewältigung der Corona-Krise. Wir Grüne im Bundestag wollen eine gemeinwohlorientierte und gerechte Gestaltung der Digitalisierung, die Nachhaltigkeits- und Innovationspotentiale heben und souveräne Nutzer*innen und Freiheitsrechte im Netz schützen.
Schnelles Internet und selbstbestimmte Nutzung digitaler Angebote sind die Voraussetzungen, um an der digitalen Gesellschaft souverän teilhaben zu können. Wir Grüne im Bundestag wollen erreichen, dass alle Haushalte mit schnellem Internet versorgt werden, im Festnetz und mobil. Mobilfunklöcher müssen endlich geschlossen, ein Breitband- und Mobilfunk-Universaldienst eingeführt, der Ausbau beschleunigt und entbürokratisiert und Zukunftstechnologien (5G) breit zugänglich gemacht werden. Wir wollen kein Zwei-Klassen-Internet. Die Netzneutralität, also die gleiche Behandlung aller Nutzerinnen und Nutzer und aller Inhalte, ist zentral für unsere Netzpolitik. Schulen müssen aus der Kreidezeit geholt werden, Lehrpersonal digital fort- und weitergebildet werden und digitale Kompetenzen (von souveräner Mediennutzung bis Datenschutzbewusstsein) über alle Bildungseinrichtungen hinweg vermittelt werden.
Wir fordern: Eine gesetzlich abgesicherte Netzneutralität und eine Umwidmung der Telekom-Aktien im Bundesbesitz im Wert von rund zehn Milliarden Euro in einen Fonds zum Ausbau des schnellen Internets. Einen Rechtsanspruch auf einen schnellen Breitband-Internetanschluss für alle. Wer keinen oder sehr langsamen Internetanschluss hat, muss das Recht bekommen, dass vor Ort ausgebaut werden muss. Die Vermittlung von digitalen Kompetenzen in den Schulen, der politischen Bildung und als Aufgabe der Jugendhilfe sowie der Erwachsenenbildung stärken, Schulen und andere Bildungseinrichtungen entsprechend modernisieren, ausrüsten und Personal fortbilden.
Ein Mensch unter ständiger Beobachtung ist nicht frei. Es schützt unsere Gesellschaft nicht, das Internet flächendeckend zu überwachen, Geheimdienste alles, was technisch möglich ist, machen zu lassen und die IT-Sicherheit mit staatlich unterstützten Sicherheitslücken zu schwächen. Wir verteidigen dagegen die Grund- und Bürgerrechte auf Privatsphäre und informelle Selbstbestimmung und die Freiheitspotentiale auch in der digitalen Welt. Über Surfverhalten, Apps, vernetzte Geräte und sogar Spielzeuge geben wir Unmengen von privaten Daten preis. Daraus werden hochaussagekräftige Profile, die den Unternehmen Macht über uns geben. Das darf nicht zu Lasten derjenigen gehen, die ihre Daten nicht teilen und dazu führen, dass ihnen günstigere Verträge gar nicht angeboten werden. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die Kontrolle über ihre Daten behalten. Wahlfreiheit und Transparenz müssen auch im Netz gelten. Zur Wahlfreiheit im Netz gehört auch Anbieter- und Plattformen unkompliziert wechseln zu können – beispielsweise soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Streamingplattformen oder ein Sonderkündigungsrecht, wenn die versprochen Internetgeschwindigkeit wiederholt nicht geliefert wird. Das Urheberrecht muss an die digitale Welt angepasst werden und Grundrechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit gewahrt werden.
Wir fordern: Keine Vorratsdatenspeicherung und Stärkung der IT-Sicherheit. Einen hohen Datenschutz, der technisch voreingestellt ist. Er muss konsequent durchgesetzt und unabhängig beaufsichtigt werden. Gleiche Rechte, analog wie digital, für erworbene digitale Güter (beispielsweise E-Books) und einfachen Anbieter- und Plattformwechsel (Interoperabilität).
Ob (teil-)autonome Mobilität, intelligente Energiesysteme, Künstliche Intelligenz in der Medizin, Quantencomputing in der Forschung oder Robotik in der Pflege: Technischer Fortschritt ist kein Selbstzweck, kann uns aber bei der Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit helfen. Gerade die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass wir beispielsweise im Bereich der Bildung, der mobilen Arbeit oder bei Verwaltungsleistungen schneller Innovationen benötigen, die die Teilhabe aller ermöglichen. Neue Technologien wollen wir konsequent in den Dienst von Mensch und Umwelt stellen. Eine Voraussetzung dafür sind offene Standards. Sie ermöglichen Innovationen, stärken die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und erhöhen die Sicherheit in der digitalen Welt. Die Digitalisierung bietet zahlreiche Potentiale unsere Lebensgrundlagen zu bewahren. Ob smart-city-Anwendungen, vernetzte Mobilität oder 3D-Druck – es gibt viele Potentiale zur Ressourcenschonung. Sparsame IT und Energieeffizienz in Rechenzentren wollen wir stärker fördern. Dafür muss für jedes Digitalvorhaben die ökologische Dimension standardmäßig, ob im Vergaberecht oder bei Forschungsförderungen, berücksichtigt werden.
Wir fordern: Einrichtung und Finanzierung einer gemeinnützigen Stiftung zur Förderung von nachhaltigen und sozialen Innovationen und Anwendungen (Innovationsstiftung für Nachhaltigkeit und soziale digitale Anwendung - INSDA) und eines Chief Digital Officers, der die Planung und Steuerung der digitalen Transformation in der Bundesregierung vorantreibt. Einrichtung eines ressortübergreifenden Sonderbudgets für innovative, digitale Projekte der öffentlichen Hand mit besonderem ökologischen oder sozialen Nutzen. Mit einem „Recht auf Reparatur“ Elektroschrott zu vermeiden und mit einer Mindestfrist für Sicherheitsupdates die nachhaltige Nutzung von digitalen Endgeräten erhöhen.
Ob bei der Energiewende, Mobilität oder Gesundheit – die Digitalisierung spielt überall mit. Es bieten sich zahlreiche Chancen für neue Geschäftsmodelle. Wir wollen faire Rahmenbedingungen für den Wettbewerb, Märkte innovationsfreundlich gestalten und gute Bedingungen in der sich wandelnden Arbeitswelt schaffen. Auch bei der Verwaltung und Bürgerdienstleistungen wollen wir die Modernisierung vorantreiben. Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht barrierefreie E-Government-Dienstleistungen und eine Verwaltung auf Augenhöhe. Die Verwaltung muss transparenter werden und proaktiv mit den Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren und sie an Entscheidungen beteiligen.
Wir fordern: Fairer Wettbewerb und Offenheit als Leitprinzipien für eine innovative digitale Wirtschaft. Datenmacht von Plattformbetreibern muss im Wettbewerbsrecht berücksichtigt werden. Ein grundsätzliches Recht auf Home-Office und Stärkung der Rechte von „Click- und Crowdworkern“. Bürgernahe digitale Verwaltung und Vorrang der digitalen Verwaltungsleistungen einführen (digital-by-default).
Die Digitalisierung bietet zahlreiche Chancen für die Teilhabe: Online-Weiterbildung im ländlichen Raum, Werkzeuge zur Online-Beteiligung bei Planungsvorhaben oder die Möglichkeit online an öffentlichen Debatten teilzunehmen. Gerade in Zeiten der Corona-Krise hat sich die Notwendigkeit gezeigt, auch digital teilhaben zu können, gezeigt. Gleichzeitig nehmen Hass und Hetze auch im Netz zu und die demokratische Debattenkultur leidet unter der Missachtung von Grund- und Menschenrechten. Gegen die zunehmenden illegitimen Beeinflussungen von demokratischen Willensbildungen müssen Demokratien sich rechtsstaatlich wehren. Auch die Plattformbetreiber stehen in der Verantwortung Persönlichkeitsrechte, Meinungs- und Kommunikationsfreiheiten und Rechte auf Privatheit zu wahren ohne zur Vorabfilterung von Inhalten zu zwingen. Auch in der digitalen Welt ist ein fairer Interessenausgleich zwischen UrheberInnen, Verwertern wie Plattformbetreiber und NutzerInnen wichtig. UrheberInnen müssen an der Wertschöpfung ihrer Werke in der digitalen Welt angemessen beteiligt werden und der freie Meinungsaustausch und Informationsfluss sichergestellt werden.
Wir fordern: Stärkung von Bürgerbeteiligung auch mit Open-Data- und E-Government-Portalen. Integrität der Kommunikation im Netz besser schützen, algorithmengesteuerte mediale Öffentlichkeit kontrollieren und Medienkompetenz aller stärken. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte technisch und personell fit machen und schnelle Löschung strafbarer Inhalte durch Plattformbetreiber. Bürgerrechtsfreundliche Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie und angemessene Vergütung der UrheberInnen sicherstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Dröge