Porträtfoto von Kai Gehring MdB
Kai Gehring
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Anna-Katharina J. •

Wie stehen Sie zu dem Anstreben eines Parteiverbotverfahrens gegen die AFD? Wie wollen Sie konkret auf die Enthüllungen des Recherche Netzwerks Correctiv reagieren?

Sehr geehrter Herr Gehring, ich wende mich an Sie als Abgeordneter meines Wahlkreises. Die Enthüllungen zu den Menschenverachtenden Deportationsplänen durch Mitglieder der AFD, der Werteunion und zu meinem Entsetzen auch der CDU haben mir gezeigt, dass der Faschismus sich nicht mehr leise im Hintergrund hält, sondern laut rufend vor uns steht. Bitte legen Sie dar, wie sie auf diese Entwicklungen reagieren wollen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau J.,

wie so viele Menschen im ganzen Land lassen auch mich die Enthüllungen von Correctiv nicht los: Die Pläne der Rechtsextremist*innen zur Entrechtung und Vertreibung von vielen Millionen Menschen zeigen überdeutlich: Die AfD will ein ganz anderes Land, sie will ein autoritäres Regime der Unterdrückung, Willkür und Gewalt errichten. Dass seit Bekanntwerden des Geheimtreffens bereits zwei Millionen Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen sind, zeigt einmal mehr, wie falsch die Behauptung der AfD ist, sie repräsentiere „das Volk“ oder „die Mehrheit".

Als Frau Huy MdB am 19. Januar 2024 für die AfD-Fraktion zur Debatte „Leistungen für Asylbewerber*innen“ im Bundestag sprach, habe ich mit einer Kurzintervention reagiert. Frau Huy hat selbst an dem Deportations-Treffen teilgenommen und versuchte u.a. den investigativen Journalismus von Correctiv zu diskreditieren. Das habe ich mit Verweis auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Verfassung entschieden zurückgewiesen, wie Sie in dem Video sehen können:

https://www.instagram.com/reel/C2R9qnCNj0U/?igsh=MXdpamd5eWlkbGVlYw%3D%3D 

In der täglichen politischen Auseinandersetzung und in der Arbeit in den Regierungen und Parlamenten müssen wir alles tun, um uns den anti-demokratischen, menschenverachtenden, rassistischen und völkisch-nationalistischen Ideologien sowie Umsturzplänen der AfD entgegenzustellen.

Wir haben im Bundestag in den letzten beiden Jahren bereits verschiedene Gesetze beschlossen, mit denen wir den Umtrieben von Extremist*innen rechtsstaatlich entgegentreten: Um den Missbrauch öffentlicher Gelder für Demokratiezersetzung verhindern zu können, haben wir eine Regelung verabschiedet, nach der parteinahe Stiftungen sicherstellen müssen, dass sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung aktiv eintreten.

In der Parteienfinanzierung haben wir dafür gesorgt, dass unlautere Parteienwerbung durch Hintermänner nun besser durchkreuzt werden kann. Und wir haben im Bundesrecht dafür gesorgt, dass Verfassungsfeind*innen schneller aus dem öffentlichen Dienst und aus der Bundeswehr entlassen werden können.

Wir setzen uns intensiv mit dem Vorschlag auseinander, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Verbot der AfD zu stellen. Für ein solches Verbotsverfahren gibt es jedoch erhebliche verfassungsrechtliche Hürden. Zudem würde ein solches Verfahren wahrscheinlich Jahre in Anspruch nehmen. Alle verantwortlichen Verfassungsorgane müssen die aktuellen Einschätzungen der Sicherheitsbehörden im Blick behalten und die Argumente des Für und Wider eines Verbotsverfahrens sorgfältig abwägen. Aber auch andere erfolgversprechende rechtsstaatliche Instrumente bleiben eine Option. Die AfD ist zwar demokratisch gewählt, sie ist aus meiner Sicht jedoch keine demokratische Partei bzw. Fraktion, sondern der „parlamentarische Arm“ des Rechtsextremismus in Deutschland.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Parteienfinanzierung der NPD (inzwischen in „Die Heimat“ umbenannt) zeigt: Unsere Demokratie ist wehrhaft, ihre Organe können gegen Extremist*innen und Verfassungsfeind*innen vorgehen - und tun das auch erfolgreich. Das Urteil prüfen wir ebenso intensiv, um die notwendigen Rückschlüsse zu ziehen – absehbar ist schon jetzt: unmittelbar auf andere Parteien übertragbar, scheint das Urteil jedoch nicht zu sein.

Im Kampf gegen Rechtsextreme muss der Rechtsstaat die Vorfeldorganisationen der AfD im Blick behalten. Diese tragen massiv zum Erstarken von Hass und Hetze bei. Deshalb stehen Vereine und Organisationen wie etwa die „Identitäre Bewegung“ oder auch die „Junge Alternative” zu Recht im Fokus der Sicherheitsbehörden und sind bereits als „gesichert extremistisch“ eingestuft.

Der Verfassungsschutz listet aktuell bereits über 50 in Deutschland verbotene rechtextremistische Organisationen auf. Zuletzt wurde u.a. die rechtsextreme, rassistische und antisemitische Vereinigung „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V“ einschließlich all ihrer Teilorganisationen verboten.

Zugleich bleibt es eine gemeinsame Aufgabe aller überzeugten Demokrat*innen, Verfassungsfeind*innen inhaltlich zu stellen. Am Ende hat die Demokratie nur eine Zukunft, wenn sie getragen wird von engagierten Bürger*innen, die bei allen Meinungsunterschieden einen demokratischen Grundkonsens teilen und als Wert pflegen.

Die aktuell stattfindenden größten Demonstrationen im vereinten Deutschland gegen Neofaschismus und für die Demokratie sind ein Hoffnungszeichen. Genauso wie zivilcouragiertes Widersprechen in Alltagssituationen, wenn rassistische Meinungen geäußert werden.

Ich bin überaus froh und dankbar, dass Sie sich gemeinsam mit unzähligen weiteren Menschen für unser Land, für die Menschenwürde und für eine demokratische Zukunft sorgen und einsetzen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Kai Gehring

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