Wie stehen Sie zur Nutzung von X (vormals Twitter)?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Gehring,
digitale Medien erleichtern die Kommunikation. Schließlich erhalten Sie auch diese Anfrage online und nicht etwa per Brieftaube.
Aber bekanntlich wird "X" von Herrn Musk gezielt genutzt, um seine eigene politischen Ansichten zu befördern. X entzieht sich der sich Kontrolle durch Behörden und trägt allein schon durch den Zwang zur Verkürzung zur Verdummung von Debatten bei. Es wimmelt von Falschnachrichten und antisemitischer Propaganda, so dass deutschen Rabbinern und der Antidiskriminierungsbeauftragten Ataman sprach sich zuletzt auch Frau Esken gegen die Nutzung aus. Doch die Bundesregieriung und fast alle Abgeordneten nutzen "X" munter weiter.. Auch die grün gefführten Ministerien.
Nutzen Sie "X" auch für Ihre Arbeit als Abgeordneter? Werden Sie das ändern? Werden Sie Ihre KollegInnen sensibilierien und mit denen gemeinsam über Regulierung nachdenken? Ich fänd's gut.
Freundliche Grüße
Jürgen K.
Sehr geehrter Herr K.,
auch ich betrachte die Veränderungen auf der Plattform seit der Übernahme durch Elon Musk mit großer Sorge. Seitdem werden auf X wieder extremistische Accounts freigeschaltet, wie etwa das Konto der sogenannten „Identitären Bewegung“. Musk selbst gerät durch antisemitische und hetzerische Tweets immer wieder in die Schlagzeilen. Ich erlebe selbst, dass Meldungen zu Richtlinienverstößen zunehmend ins Leere laufen und sich die Verbreitung von Fake News verstärkt. Dies vertreibt immer mehr Werbekunden und User: Die Werbeeinnahmen auf X haben sich im vergangenen Jahr fast halbiert.
Ich verstehe das Dilemma, das eine weitere Nutzung der Plattform mit sich bringt. Auch bei uns GRÜNEN im Bundestag gibt es einen intensiven Diskurs darüber, inwieweit wir X weiter nutzen und ob und wie ein verantwortungsbewusster Umgang mit dieser Plattform noch möglich ist. Gleichzeitig gilt bisher für uns die Devise: Progressive Stimmen sollten sich nicht aus einem digitalen Raum zurückziehen, nur weil er ihnen zu ungemütlich wird. Damit überließen wir Rechtsextremen das Feld. Auch die jüngste Rückkehr von Robert Habeck auf X erfolgt aus dieser Motivation heraus.
Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie sichtbar und entschlossen, man diesem Rechtsruck auf X entgegentreten kann. So denke ich etwa an die Reaktion des Auswärtigen Amtes auf Musks Tweet zur Arbeit deutscher Seenotretter.
Die Herausforderung, vor die uns X stellt, lässt sich nicht allein durch den Wechsel oder Ausschluss einer bestimmten Plattform lösen. Die Tendenz zur Verkürzung und Zuspitzung teilen alle sozialen Netzwerke. Ein weiterer Punkt, der in meinen Augen besonders schwer wiegt: Die (gesamtgesellschaftliche) Relevanz von X wird in Deutschland häufig überschätzt: TikTok hat in Deutschland viermal so viele tägliche User wie X, lebt ebenfalls von einer zugespitzten Form und bewegt sich in puncto Datenschutz sowie Propagandaverbreitung in mindestens ebenso „trüben Gewässern“. Es wäre inkonsequent, X zu verlassen, während gleichzeitig TikTok von immer mehr Politiker*innen genutzt und beworben wird, um gerade auch die jüngere Generation zu erreichen.
Menschen müssen für Fake News und Propaganda jeglicher Art sensibilisiert werden. Das gilt insbesondere für Jugendliche, die zunehmend mit radikalen und autoritären Inhalten in Berührung kommen. Daher setze ich mich für die Förderung von Medienkompetenz und bessere Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte ein. Eine „Bundeszentrale für digitale Bildung und Medienbildung“ wäre hier ein denkbarer Ansatz. Dies habe ich auch gegenüber der Presse betont, wie Sie unter anderem in der Rheinischen Post nachlesen können.
Wir werden uns auch darüber hinaus weiterhin gegen Hass und Hetze im Netz einsetzen: Sei es durch Plattformregulierung oder eine konsequente Meldung von entsprechenden Beiträgen und Kommentaren auf X.
So hatte ich im März Strafanzeige gegen einen User auf X gestellt, der zum Mord an mir und anderen Grünen Bundestagsabgeordneten aufrief. Die Staatsanwaltschaft Berlin konnte den User kürzlich ausfindig machen und hat ihm nun eine Zahlung von 500 € an die Berliner Justiz auferlegt. Solche erfolgreichen Verfahren machen Mut und zeigen, dass auch das Internet kein rechtsfreier Raum ist.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring
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