Frage an Kai Gehring von Holger T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gehring,
wie ich jetzt hörte, stimmen Sie am 8. oder 9. November über die so genannte Vorratsdatenspeicherung ab. Hierüber bin ich zutiefst besorgt. Da Sie den Wahlbezirk, in dem ich wohne, vertreten, bitte ich Sie um eine Stellungnahme.
Wie wollen Sie rechtfertigen, dass zukünftig alle Verbindungsdaten meiner Telefonate und E-Mails sechs Monate lang gespeichert werden? Ich kann nicht akzeptieren, erst einmal verdächtigt und daher überwacht zu werden.
Wer soll überwacht werden? Terroristen und die organisierte Kriminalität werden öffentliche Telefonzellen nutzen und Verschlüsselung einsetzen, wodurch die Verbindungsdaten nutzlos werden. Oder geht es gar nicht um die bloße Verbrechensbekämpfung?
Wie soll man vertrauensvoll mit einem beruflichen Geheimnisträger (Arzt, Rechtsanwalt) oder Stellen wie in der Telefonseelsorge Kontakt aufnehmen? Sind die Daten einmal vorhanden, gibt es keine wirkliche Garantie mehr gegen eine missbräuchliche Nutzung und anderweitige Verwendung.
Wie sollen die immensen Kosten gerechtfertigt werden, die für die Telefon- und Internetanbieter anfallen, um die Speicherung und den Zugriff ab 2008 zu ermöglichen?
Mit Sicherheit werden die Kosten auf mich als Kunden abgewälzt. Ich soll also für meine eigene Überwachung zahlen!
Außerdem bestehen starke Bedenken, ob das Gesetzesvorhaben verfassungskonform ist. Der Staat Irland hat gegen eine entsprechende EU-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt und in Deutschland steht eine Sammelklage vor dem Bundesgerichtshof an. Noch im Juli 2007 hat das Verfassungsgericht in einer Urteilsbegründung festgestellt: "Daher wäre eine Sammlung der dem Grundrechtsschutz unterliegenden personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken mit dem Grundgesetz nicht vereinbar." Ich rufe Sie daher eindringlich dazu auf, kein Gesetz zu beschließen, dass dem freiheitlichen Geist unseres Grundgesetzes widerspricht!!
Mit freundlichen Grüßen
Holger Taday
Sehr geehrter Herr Taday,
sehr geehrter Herr Reiling,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht und Ihre darin zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung, mit der ich vollkommen überein stimme.
Daten auf Vorrat - das hätte und würde es mit uns Grünen in der Bundesregierung nicht geben. Wir setzen uns seit 2005 vehement gegen dieses Vorhaben ein. Noch Anfang 2005 schlossen sich alle Bundestagsfraktionen unserer Kritik an - gemeinsam und einhellig lehnten alle Fraktionen im Bundestag die EU-Pläne zur Vorratsdatenspeicherung ab. Doch nach den Neuwahlen 2005 wollte Schwarz-Rot davon nichts mehr wissen - und lehnte einen erneuten grünen Antrag hierzu ab.
Doch gegen die schwarz-roten Pläne, den Datenschutz zu "schleifen", bleiben wir am Ball. 2006 haben wir mit den anderen Oppositionsfraktionen einen Gruppenantrag initiiert, den Sie hier nachlesen können: http://dip.bundestag.de/btd/16/016/1601622.pdf .
Darin forderten wir die Bundesregierung auf, gegen die EU-Richtlinie vorzugehen. Unsere Minimalforderung: Bis zur EuGH-Entscheidung sollte das deutsche Gesetz auf Eis liegen. Doch darauf ließen sich Merkel & Co. nicht ein. Der Regierungsvorschlag zur Vorratsdatenspeicherung wurde leider am vergangenen Freitag mit den Stimmen der Großkoalitionäre beschlossen - ein fataler Schritt in Richtung Überwachungsstaat und ein schwarzer Tag für die Bürgerrechte in unserem Land. Weitere Einschätzungen dazu finden Sie unter www.gruene-bundestag.de/cms/default/dok/181/181517.htm .
Unser Widerstand gegen die Datensammelwut der Bundesregierung wird weitergehen und ich habe, wie auch unsere Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring