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Kai Gehring
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Angelika T. •

Frage an Kai Gehring von Angelika T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Abend Herr Gehring!

Wieder einmal wird aufs Übelste versucht, Lesben und Schwulen ihr Recht auf Gleichstellung, dass übrigens seit Jahren von der Europäischen Union gefordert wird, streitig gemacht. Es geht um die geplante Erbschaftssteuerreform.

Wie stehen Sie dazu? Werden Sie sich für die Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im Erbschaftssteuerrecht einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen,
Angelika Thiel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Angelika Thiel!

Herzlichen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich als Essener MdB gerne mit meiner Position in dieser Frage antworten möchte. Ich bedaure den großkoalitionären Stillstand bei der notwendigen Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe sehr. Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare müssen endlich verwirklicht werden - alles andere ist unfair! Zahlreiche andere - vor allem europäische - Länder sind in ihrer Bürgerrechtspolitik für Lesben und Schwule inzwischen viel weiter.

Gerade auch bei der aktuell diskutierten Erbschaftssteuerreform müssen LebenspartnerInnen endlich EhegattInnen gegenüber gleichgestellt werden. Alles andere als Gleichberechtigung ist erneute Diskriminierung! Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft, den ich auch persönlich stark unterstütze, findet Sie bei Interesse unter folgendem Link: http://dip.bundestag.de/btd/16/034/1603423.pdf . Unser Antrag liegt gegenwärtig in den Ausschüssen des Bundestages zur Diskussion vor.

Die Stellung der Ehegatten beim Erbschaftssteuerrecht beruht auf der Pflicht zum ehelichen Unterhalt und dem ehelichen Güterstand. Die Unterhaltsverpflichtungen und die güterstandsrechtlichen Regelungen sind in der Lebenspartnerschaft die gleichen wie in der Ehe. Deshalb ist offen, ob das Bundesverfassungsgericht dem Bundesfinanzhof in seiner Argumentation folgt.

Nach einer zuletzt ablehnenden Entscheidung des Bundesfinanzhofes ist beim Thema Erbschaftssteuer in der Eingetragenen Lebenspartnerschaft der Gesetzgeber gefragt: Dieser kann nicht vom Bürger einerseits verlangen nicht aufgrund der sexuellen Identität zu diskriminieren (siehe Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) und andererseits selbst gleichgeschlechtliche Partnerschaften per Gesetz weiter benachteiligen.

Wenn der Gesetzgeber für Lebenspartner nichts macht, verschärft sich durch die anstehende Reform voraussichtlich die Benachteiligung. Die Erbschaftssteuerlast wird sich bei Immobilienvermögen noch erhöhen. Die Koalition plant als Ausgleich zur vollen Gleichstellung von Immobilien- und Geldvermögen (laut Presseberichten), die Freibeträge für Ehegatten und Verwandte deutlich zu erhöhen. Wenn aber Eingetragene Lebenspartnerschaften erneut nicht gleichgestellt werden, wird deren Benachteiligung durch die Reform nochmals verschärft.

Die SPD kann diese Schlechterstellung verhindern und muss sich in der Koalition durchsetzen: Sie darf aus meiner Sicht keinesfalls einer Reform zustimmen, die der Diskriminierung von Lesben und Schwulen kein Ende bereitet! Die Lesben und Schwulen werden nicht akzeptieren, dass die Koalition ihre Situation noch verschlimmert, obwohl es im Parlament eine politische Mehrheit für die Gleichstellung gibt!.

Die Benachteiligung ist bislang schon massiv. Eingetragene Lebenspartnerschaften werden bei der Erbschaftsteuer wie Fremde behandelt. Sie fallen in die Steuerklasse III und unterliegen somit dem höchsten Steuersatz. Ihr allgemeiner Freibetrag beläuft sich nicht auf 307.000 Euro wie der für Ehegatten, sondern nur auf 5.200 Euro! Sie erhalten auch keinen zusätzlichen Versorgungsfreibetrag, während Ehegatten ein solcher in Höhe von 256.000 Euro zusteht. Im Todesfall wird so gemeinsam geschaffenes und erarbeitetes Vermögen durch die Steuer zerschlagen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen habe weiterhelfen können.

Mit herzlichen Grüßen
Kai Gehring

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