Frage an Kai Gehring von Michel D. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Gehring,
Ich schreibe Ihnen als Mitglied meiner Wahlpartei sowie als Mitglied des Bildungsausschuss´. Leider gibt es keinen Bonner Abgeordneten der Grünen.
Immer wieder höre ich aus meinem Bekanntenkreis von Fällen, in denen Bafoeg-Empfänger oder ehemalige Bafoeg-Empfänger, offenbar nach einer erneuten Überprüfung, neue Bescheide für Bewilligungszeiträume erhalten, die schon mehrere Jahre zurückliegen. Dabei werden z.T. erhebliche Geldsummen zurückgefordert, bzw. das noch zu erhaltende Bafoeg wird mit diesen Summen verrechnet.
Aus eigener Erfahrung sowie anhand der Berichte aus meinem Bekanntenkreis kann ich sagen, dass die Bewilligung von Fördermitteln alles andere als durchschaubar ist und zu einem nicht geringen Teil vom Zufall bzw. vom guten Willen des jeweiligen Sachbearbeiters abhängt. Mir ist ein Fall bekannt, in dem der alljährlich bis ins Detail identisch ausgefüllte Bafoeg-Antrag jedes Jahr eine andere Förderungssumme ergab.
Daher drängt sich mir die Vermutung auf, dass die Bafoeg-Ämter die Prüfung der Anträge recht nachlässig vornehmen, während die (vermutlich stichprobenartigen) Überprüfungen gewissenhaft durchgeführt werden.
Dabei entsteht eine Rechtsunsicherheit bei der finanziellen Versorgung, die gerade diejenigen betrifft, die wenig haben und die die zukünftigen Führungspersonen unserer Gesellschaft sind, die Studenten. Man stelle sich einen Studenten vor, dessen einzige Einnahmequelle das Bafoeg ist, der plötzlich z.B. einen zuviel gezahlten Satz von 25€/Monat über die letzten vier Jahre zurückzahlen muss bzw. mit seiner aktuellen Förderung verrechnet bekommt. Nach meiner Rechnung stünde diese (fiktive) Person zwei bis drei Monate ohne Einkommen da.
Wie stehen Sie zur Problematik der laxen Vergabe, aber strengen und vor allem späten Kontrolle, bei der Bafoeg-Vergabe und, falls sie es so sehen wie ich, was gedenken sie gegen diesen Missstand zu tun?
Vielen Dank für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit und freundliche Grüße,
Michel Degener
Sehr geehrter Herr Degener,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die mich über das Internetportal abgeordnetenwatch.de erreichte. Aufgrund der enorm hohen Arbeitsbelastung war eine frühere Antwort leider nicht machbar – ich bitte dafür um Ihr Verständnis.
Die von Ihnen geschilderten Fälle sind in der Tat äußerst unbefriedigend. Die Gewährung einer staatlichen Unterstützungsleistung – gerade auch einer so unerlässlichen wie das Bafög – muss für die Betroffenen selbstverständlich verlässlich und nachvollziehbar sein. Allerdings sind mir bislang keine weiteren derartigen Einzelfälle oder gar Berichte von systematisch nachlässiger BAföG-Vergabe bekannt. Nichtsdestotrotz ist jeder einzelne Fall, in dem wegen einer möglicherweise unzureichenden Prüfung des Antrags irrtümlicherweise gewährte Fördermittel später zurückgefordert werden, ein besonderes Ärgernis für den Betroffenen. Ich bin der Überzeugung, dass ein solcher Amtsfehler dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen darf. Eine Rückfrage von mir bei den Studentenwerken hat ergeben, dass in der Praxis zu viel gezahlte Fördermittel meistens nicht zurückgefordert werden. Nur in Ausnahmefällen – beispielsweise bei besonders gravierenden Überzahlungen oder wenn dem BAföG-Empfänger die Unrichtigkeit des BAföG-Bescheids hätte auffallen müssen – nimmt das BAföG-Amt sein Recht auf Rückforderung der zu viel gezahlten Förderbeträge wahr.
Eine nicht vermeidbare Rückforderung des BAföG-Amtes darf nach meiner Überzeugung aber keinesfalls die laufende Finanzierung des Lebensunterhalts des BAföG-Empfängers gefährden, wie von Ihnen geschildert wurde. Daher muss in diesen Fällen immer Stundung vor Tilgung stehen. D.h. der BAföG-Empfänger sollte die zu viel erhaltenen Unterstützungsleistungen erst nach dem Studium unverzinst zurückzahlen. Das Studentenwerk hat mir dies als allgemein übliche Praxis bestätigt. Die von Ihnen geäußerten Missstände bestärken mich darüber hinaus in unserer grünen Forderung für ein modernes, gerechtes und einfacheres System der Studienfinanzierung. Hier könnte die besonders fehlerträchtige Bedarfsprüfung möglicherweise in den Hintergrund rücken. Ich arbeite derzeit an einem entsprechenden Studienfinanzierungskonzept. Bis ein solches System entwickelt ist, müssen die derzeitigen BAföG-Sätze dringend an die Entwicklung der Preise und Einkommen angepasst werden. Eine weitere Verschleppung der BAföG-Erhöhung durch die Große Koalition ist nicht akzeptabel.
In der Hoffnung, Ihnen weitergeholfen zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring MdB