Frage an Kai Gehring von Gerd M. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Gehring,
die derzeit praktizierte Rechtsanwendung des SGB II und SGB VII ist so, dass Elternteile deren Kinder nicht bei Ihnen leben für die Sorge und Erziehung keine Unterstützung bekommen. Das bedeutet konkret das sie Unterbringung, Ernährung, Kleidung, Fahrkosten, Bildungsaufwendungen usw. aus eigener Tasche, genauer von "Harz IV" bezahlen müssen. Es ist dabei nicht gerade ungewöhnlich wenn die Kinder sich im Jahresmittel zu einem Drittel der Zeit bei dem jeweils anderen Elternteil aufhalten. Haben Harz IV- Empfänger denn doch noch soviel Geld das das möglich ist?
Wie ist denn Ihre Meinung zu diesem Sachverhalt?
Mit freundlichem Gruß
Gerd M.
Sehr geehrter Herr Materna,
Sie sprechen in Ihrer Frage die Problematik der so genannten Umgangskosten an. Dabei geht es um die Frage, wer und in welchem Umfang die Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit den Kindern trägt, wenn der Elternteil, den die Kinder besuchen kommen, Arbeitslosengeld II bezieht. Das Arbeitslosengeld II des Elternteils reicht dann regelmäßig nicht aus, um die Kosten für Abholung, Versorgung und Unterbringung der Kinder während ihrer Anwesenheit zu tragen. Die Verwaltungspraxis im SGB II und auch einige Sozialgerichte haben in diesen Fällen bisher die Übernahme der Kosten durch den SGB II-Träger und/oder das Sozialamt verneint.
Das war aus unserer Sicht nicht richtig. Kinder sollten so wenig wie möglich unter der Trennung ihrer Eltern leiden, und der Bezug von Arbeitslosengeld II eines Elternteils darf der Ausübung des Umgangsrechts nicht entgegenstehen. Bereits in der Sozialhilfe bestand die Möglichkeit, die Kosten des Umgangs mit den Kindern erstattet zu bekommen.
Inzwischen gibt es eine Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R). Das Gericht hat entschieden, dass die SGB II-Träger, also die Arbeitsgemeinschaften vor Ort, die erhöhten Lebenshaltungskosten auf Antrag übernehmen müssen. Die Kinder werden dabei zu Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft des hilfebedürftigen Elternteils und haben somit Anspruch auf Deckung ihrer Bedarfe. Der Umstand, dass sie nur tageweise bei dem hilfebedürftigen Elternteil anwesend sind, steht der Zuordnung zu seiner Bedarfsgemeinschaft dabei nicht im Wege. Fahrtkosten des Elternteils müssen dagegen nach § 73 SGB XII als Hilfe in sonstigen Lebenslagen auf Antrag vom Sozialamt erstattet werden.
Dieses Urteil muss umgehend und fläckendeckend umgesetzt werden. Unmittelbaren Bedarf für eine Gesetzesänderung gibt es damit zunächst mal nicht mehr. Sollte sich allerdings herausstellen, dass die vom Bundessozialgericht aufgezeigte Lösung nicht umgesetzt oder zu bürokratisch in der Praxis ist, muss eine Gesetzesänderung mit dem Ziel einer einfachen und zufriedenstellen Lösung für die Übernahme von Umgangskosten geprüft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring