Frage an Kai Gehring von martin g.
Guten Tag,
wir sind eine junge Familie in Essen-Stadtwald und haben hier vor einigen Jahren Haus und Grund gekauft, um Kinder im Ruhrgebiet groß zu ziehen.
Wir sind gegen Fracking und sprechen uns komplett dagegen aus! Warum?
- Deutschland ist ein grünes Land. Wir haben so viel für die Wasserqualität von Flüssen und Grundwasser gemacht. Wir haben den unbequemen Atomausstieg beschlossen.
- Deutschland ist zu dicht besiedelt.
- NRW hat aufgrund seiner Bergbau Tätigkeiten völlig unübersichtliche geologische Voraussetzung für Fracking. Es werden Stollen entdeckt, die gar nicht verzeichnet sind.
- Vor dem Hintergrund von TTIP öffnen wir US Firmen, die nicht mit den Umweltproblemen in NRW kämpfen müssen Tür und Tor, ihre Interessen hier durchzusetzen.
- Die durch Fracking zu erwartende Energie ist sicherlich durch Einsparungen und den erneuerbaren Energien zu produzieren.
- Umweltschäden durch Fracking sind nicht zu kontrollieren. Sie stehen auch nicht im Verhältnis zur Ausbäute. Es gibt keine Alternative zu unserer Natur.
Abschließend : Wir wollen jegliches Fracking nicht, weil Probebohrungen gar nicht nötig sind. Die Franzosen sind uns in der Entscheidung voraus. Einfach unkompliziert und für alle Menschen nachvollziehbar.
Was tunen Sie um ein komplettes Fracking Verbot durchzusetzen?
Sehr geehrter Herr Goeser,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 1.04.15
Wir lehnen den Einsatz der Fracking-Methode zur Erdöl- und Erdgasgewinnung ab. Das Risiko, unsere Grund- und Trinkwasservorräte schwer und dauerhaft durch den Einsatz der Fracking-Technologie zu beeinträchtigen, rechtfertigt nicht die kurzzeitige Förderung von vergleichsweise geringen Gasmengen. Mit der Energiewende wollen wir ohnehin fossile durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz konsequent ersetzen.
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich als erste und lange Zeit als einzige Fraktion im Deutschen Bundestag kritisch mit dem Thema Fracking auseinandergesetzt, schon bevor es ein großes Thema in der Öffentlichkeit wurde. Die Grünen haben als Regierungspartei in NRW dafür gesorgt, dass es ein Fracking-Moratorium gibt, das Maßstab für andere Bundesländer ist. Wir haben in den Bundestag und über die grün-mitregierten Länder zahlreiche Initiativen in den Bundesrat eingebracht, um Fracking mit giftigen Chemikalien wegen des unverantwortlichen Risikos nicht zuzulassen. Darüber hinaus muss eine fachgerechte Entsorgung des Frac- und Lagerstättenwassers gesichert sein. Dafür brauchen wir eine klare Regelung im Bundesrecht. Jeder Tag, der verstreicht, an dem der Bundestag eine solche Gesetzesverschärfung nicht verabschiedet, ist eine Einladung an die Firmen, gegen die Blockade in den Ländern anzugehen. Bitte setzen Sie sich gemeinsam mit uns für eine strenge bundesgesetzliche Regelungen ein, damit die Bundesländer zugleich umweltbewusst und rechtskonform handeln können.
Die Referentenentwürfe von Bundeswirtschaftsminister Gabriel und Bundesumweltministerin Hendricks, die nun zum Fracking vorliegen, sind nicht dafür geeignet, Fracking in Deutschland zu verhindern, im Gegenteil. Was sich seit Monaten andeutet, wird jetzt zur Gewissheit: Die Bundesregierung folgt im Wesentlichen den Wünschen der Gaskonzerne. Dass die Bundesumweltministerin Hendricks angesichts dessen von einem Fracking-Verbot spricht, ist der peinliche Versuch eines Etikettenschwindels.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Fracking auf einem Großteil der Landesfläche ermöglicht wird, sogar unter EU-Natura 2000 Gebieten. Es ist völlig unverständlich, warum Schwarz-Rot diese Risikotechnologie in Deutschland überhaupt anwenden will. Union und SPD setzen sich damit über die breite Ablehnung von Fracking in der Bevölkerung hinweg.
Für die Energiewende brauchen wir kein Fracking, denn es verlängert lediglich das fossile Zeitalter. Das geplante Fracking-Gesetz eröffnet neue Möglichkeiten, noch die letzten Reste von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen umweltschädlich aus dem Boden zu pressen. Damit untergräbt die Regierung ihr eigenes Versprechen, dem Schutz von Gesundheit, Klima und Trinkwasser höchste Priorität einzuräumen. Das Bundesumweltministerium bestätigt, dass Fracking keinen relevanten Beitrag zum Klimaschutz und auch nicht zur Reduktion der Importabhängigkeit der Energieversorgung leisten kann. Dass Fracking nun trotzdem erlaubt werden soll, lässt nur einen Schluss zu: Umweltministerin Hendricks ist vor den Interessen der Erdgasindustrie eingeknickt.
Was jetzt vorliegt, ist nichts anderes als ein Fracking-Erlaubnisgesetz. Nicht nur die bereits praktizierte Gewinnung von Tight-Gas (Gas aus Sandstein) mittels Fracking wird ausdrücklich erlaubt. Auch Forschungsbohrungen mit Fracking-Einsatz in Schiefer- und Kohleflözgesteinen werden erlaubt. Die Erlaubnis für kommerzielles Fracking in Schiefer- und Kohleflözgesteinen soll nach einer Schamfrist ab 2018 wieder ermöglicht werden. Gleichzeitig wird die Bewertung der Gefährlichkeit von Fracking in Schiefer- und Kohleflözgesteinen an eine Expertenkommission ausgelagert. Damit schiebt die Bundesregierung ihre Verantwortung einfach ab, statt sich klar zum Fracking zu positionieren. Da die Expertenkommission nach Mehrheitsprinzip entscheiden soll, besteht die Gefahr, dass diejenigen, die Fracking eher kritisch sehen, einfach überstimmt werden.
Sogar der Einsatz schwach wassergefährdender Frac-Fluide (beim Fracking eingesetzte Flüssigkeiten) wird erlaubt, und zwar auch oberhalb von 3000 Metern Tiefe. Die Gebiete, in denen Fracking verboten werden soll, reichen bei Weitem nicht, um Gefahren für Mensch, Natur und Trinkwasser durch Fracking auszuschließen.
Statt wenigstens die Chance für eine grundlegende Reform des veralteten Bergrechts zu nutzen, legt Bundeswirtschaftsminister Gabriel nur kleine Veränderungsvorschläge vor, die weit hinter dem Notwendigen zurückbleiben: So sollen weder eine über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) hinausgehende Öffentlichkeitbeteiligung ermöglicht, noch den Kommunen eigene Versagensrechte zugestanden werden. Zwar wird die Beweislastumkehr im Bergrecht auf Bohrlochbergbau (inklusive Fracking) und Kavernen ausgeweitet, jedoch nicht auf obertätigem Bergbau (z.B. Braunkohle).
Die vielen Risiken und Umweltprobleme beim Fracking, zum Beispiel eine mögliche Verunreinigung des Trinkwassers, ungeklärte Abwasserentsorgung, zweifelhafte Klimabilanz, Erdbeben, hoher Flächenverbrauch sowie eine erhebliche Zunahme des Schwerlastverkehrs, werden von dem vorgeschlagenen Regelungspaket nicht ausreichend berücksichtigt. Und auch die bereits bestehenden Probleme der Erdgasförderung wie die Entsorgung des giftigen Lagerstättenwassers werden nicht richtig angegangen.
Die schwarz-gelbe Koalition hatte ihren Gesetzentwurf zum Fracking 2013 wegen des großen Widerstands auf Eis gelegt. Ob auch die Große Koalition am Ende nicht zu einer Einigung kommt, bleibt abzuwarten. Klar ist: Wir brauchen dringend strenge und eindeutige rechtliche Vorgaben zum Fracking. Bisher können die Bundesländer Anträge auf Fracking durch die Firmen aufgrund der bestehenden rechtlichen Regelungen nicht ablehnen. Die bestehende Gesetzeslage zwingt die Länder solche Anträge zu genehmigen. Noch nicht mal eine ausreichende Öffentlichkeitsbeteiligung kann den Firmen vorgeschrieben werden. Das faktisch bestehende Fracking-Moratorium funktioniert nur, solange die Firmen den Druck aus Öffentlichkeit und Politik folgen und ihre Anträge ruhen lassen. Doch die Industrie kann jederzeit einsteigen und hat das für das Tightgas-Fracking im Sandstein auch angekündigt. Es ist also höchste Zeit für eine bundesrechtliche Regelung, damit die Rechtsunsicherheit beseitigt und Fracking wirksam verhindert wird.
Bündnis 90/Die Grünen haben sich in Ihrem Bundestagswahlprogramm 2013 klar zum Thema Fracking positioniert und diese Haltung sowohl im Europawahlprogramm 2014, im Parteirat und bei Bundesdelegiertenkonferenzen sowie in zahlreichen Beschlüssen auf Landes- und kommunaler Ebene bekräftigt. In unserem Antrag von März 2014 im Bundestag „Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst nehmen – Bundesberggesetz unverzüglich reformieren“ (Drucksache 18/848) haben wir diese Forderungen unterstrichen. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen hat darüber hinaus im Juli 2014 ein Positionspapier zum Fracking beschlossen, das die Förderung von Erdgas und Erdöl mit dieser Risikotechnologie klar ablehnt:
http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/Beschluss_Kein_Gas_durch_Fracking.pdf
Wir sehen weiterhin keine energiepolitische Notwendigkeit, Erdgas oder Erdöl mittels Fracking zu fördern. Die Vorräte in Deutschland sind sehr begrenzt, was die Anwendung dieser Risikotechnologie mit unbekannten Langfristfolgen auch energiepolitisch sehr fraglich erscheinen lässt.
Grundsätzlich ist die Förderung von fossilen Rohstoffen immer mit Umweltrisiken behaftet. Wir brauchen mehr Energieeffizienz, den Umstieg auf Erneuerbare Energien und Energieeinsparungen, um perspektivisch ganz auf fossile Rohstoffe zu verzichten. Der sicherste Weg ökologische Schäden bei der Öl- und Gasförderung zu vermeiden ist ohnehin der schnelle Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien. Statt mit Gas schlecht isolierte Wohnungen zu beheizen, wollen wir die energetische Gebäudesanierung massiv steigern und mit dem Gas dezentral Strom und Wärme in Kraft-Wärme-Kopplung gleichzeitig erzeugen.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring