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Kai Gehring
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael M. •

Frage an Kai Gehring von Michael M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gehring,

werden Sie im Bundestag für die Griechenlandhilfe stimmen?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

ich und auch die gesamte Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen befürwortet Finanzhilfen für Griechenland und hat daher dem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Als Vorstandsmitglied der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe konnte ich mir darüber hinaus ein Bild über die Situation des Landes verschaffen.

Wir Grünen haben unser Abstimmungsverhalten über europäische Fragen noch nie von parteipolitischer Taktik abhängig gemacht. Wir haben in der Opposition der Einführung des Euro ebenso zugestimmt wie dem Lissabonvertrag. Wir lassen uns auch diesmal von europäischer Solidarität leiten.

Wir entscheiden in der Sache für Europa und kritisieren gleichzeitig die katastrophale Politik der Bundesregierung. Das Zögern und Zaudern von Angela Merkel hat die Krise weiter verschärft und die Hilfen verteuert. Angesichts der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen hat die Kanzlerin verzögert und blockiert und dadurch die Spekulation gegen Griechenland angeheizt. Das Problem wurde größer, nicht kleiner. Der wirtschaftliche und europapolitische Flurschaden ist ärgerlich. Verschärft wird dies, zumal sich von Anfang an abzeichnete, dass Merkels Position nicht nur falsch, sondern auch unhaltbar war. Am Ende ließ sich die Entscheidung nicht mehr über den NRW-Wahltermin verschleppen.

Die Finanzhilfe für drei Jahre gibt den Griechen die nötige Zeit für politisch gestaltete Strukturreformen. Ein Nichthandeln und die Verweigerung der Hilfe hätten den Staatsbankrott zur Folge gehabt – mit schlimmen Folgen für die Griechen und für den Bestand des Euro. Damit wäre das Kalkül der Spekulanten aufgegangen.

Über die Kredithilfe hinaus brauchen wir aber Maßnahmen, um zukünftige Krisen zu verhindern, ihre Folgen zu mindern und die Kosten den Verursachern anzulasten. Eine gemeinsame Währung braucht eine gemeinsame, europäische Wirtschaftspolitik. In Zukunft muss ein klares Prinzip in den Rahmenbedingungen für Finanzmärkte verankert werden. Wer Gewinne kassiert muss auch für die Risiken einstehen.

Alle Versuche, diesbezüglich einen interfraktionellen Konsens hinzubekommen sind gescheitert. Die schwarz-gelbe Koalition hat sich geweigert, dem Aufbau einer ernsthaften europäischen Wirtschaftskoordinierung zuzustimmen und sie hat die Einführung einer Finanztransaktionssteuer blockiert. Wir haben deshalb unsere Kritik und unsere Forderungen in einem grünen Entschließungsantrag formuliert, den wir Ihnen im Anhang mit senden.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der griechische Staat mit Klientelpolitik, Korruption, Statistik(selbst)betrug, Duldung von Steuerhinterziehung, Missbrauch von EU-Fonds für schlechte Investitionen bei Massentourismus und nicht nachhaltiger Landwirtschaftspolitik, durch besonders hohe Militärausgaben und einen aufgeblähten öffentlichen Sektor die Schuldenkrise maßgeblich selbst verursacht hat. Spekulationen - vor allem Leerverkäufe von Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) - haben die Situation zu einer Finanzkrise werden lassen. Wir Grüne drängen seit langem darauf, derartige Spekulationen zu verbieten.

Die europäischen Steuerzahler bürgen mit den Finanzhilfen für Griechenland, um einen ungeordneten Staatsbankrott zu vermeiden. Das bewahrt die Gläubigerbanken vor einem drohenden Totalausfall ihrer Forderungen. Es ist nicht akzeptabel, dass wieder die Gemeinschaft die Verluste übernimmt und die Banken die Gewinne einstreichen. Die Banken haben trotz der absehbaren Risiken die griechischen Staatspapiere gekauft und damit hohe Renditen erzielt.

Die Gläubiger Griechenlands, also Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitute, müssen an der Bewältigung der Schuldenkrise über Steuern und Abgaben beteiligt werden. Nicht mit einem Placebo wie der freiwilligen Zusage Ackermanns, sondern durch eine echte Beteiligung. Eine wichtige Maßnahme hierfür ist eine Umschuldung, weil damit genau Diejenigen, die Griechenland Kredite ohne Prüfung der Kreditwürdigkeit, und im Glauben die Staaten würden im Zweifel wieder für Ausfälle geradestehen, zur Rechenschaft gezogen werden. Die Möglichkeit einer europäischen Umschuldungskonferenz muss geschaffen werden.

Die Finanzmärkte müssen umfassend reguliert werden: Statt Detailkorrekturen brauchen die Finanzmärkte eine neue Zielsetzung in Richtung Nachhaltigkeit. Der Handel mit Kreditausfallversicherungen zur reinen Spekulation (wenn die Akteure selbst überhaupt keine Gläubiger sind), gehört verboten. Wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Ratingagentur, die Risiken unabhängig und transparent bewertet. Zentral ist das Problem der unverantwortlichen Kreditvergabe von Banken, weil diese „zu groß zum Scheitern“ sind. Hierfür brauchen wir eine dauerhafte Lösung. Die Gläubiger müssen also nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen in die Pflicht genommen werden, sondern auch, damit sie in der Zukunft die Kreditwürdigkeit schon im Vorfeld ordentlich prüfen. Wichtige europäische Maßnahmen für mehr Finanzmarktstabilität wie eine europaweite Aufsicht für große Banken und Versicherungen, Eigenkapitalvorschriften und der Regulierung von Hedgefonds müssen jetzt endlich energisch angegangen werden. Und auch der Verbraucherschutz muss auf den Finanzmärkten ernsthaft neu geregelt werden.

Solange diejenigen, die die Gewinne kassieren, nicht auch die Risiken tragen, muss immer wieder der Steuerzahler einspringen. Die Bundesregierung hat in den zwei Jahren seit Ausbruch der Finanzkrise nichts unternommen, was daran etwas ändern könnte. Im Gegenteil: Das Kasino ist schon wieder voll im Gang und das Spekulanten-Roulette rollt. Darum fordern wir eine Finanztransaktionssteuer. Und darum fordern wir ein geordnetes Verfahren im Umgang mit Schuldenkrisen innerhalb der Währungsunion, in dem Banken und Spekulanten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Erst dann können diese nicht risikolos an der unverantwortlichen Schuldenpolitik eines Staates verdienen. Banken würden es sich zweimal überlegen, ob sie Kredite vergeben. Die Staaten könnten solche Schuldenberge gar nicht erst aufbauen.

Deutsche Banken wären übrigens von einem Zahlungsausfall Griechenlands besonders betroffen. Sie halten etwa 40 Milliarden Euro Forderung gegenüber Griechenland. Ein Zahlungsausfall Griechenlands hätte nicht nur für diese Banken negative Folgen, sondern im Weiteren auch für die deutsche Realwirtschaft. In anderen Worten: Auch wegen der ökonomischen Vorteile für Deutschland wollen wir die Gemeinschaftswährung Euro erhalten und sichern. Europa muss seine Wirtschafts- und Finanzpolitik stärker koordinieren und harmonisieren. Dafür müssen u.a. der Stabilitätspakt gestärkt und die Sanktionsmechanismen erneuert werden. Der Pakt muss um das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts ergänzt werden, und die Lohnpolitik Teil der wirtschaftspolitischen Koordinierung werden. Die Kompetenzen von EUROSTAT und dem europäischen Rechnungshof müssen um weitere Prüfungsrechte erweitert werden, denn nur wenn die Zahlen stimmen, können Mechanismen überhaupt greifen. Der innereuropäische Steuerwettbewerb auf dem Gebiet der Unternehmenssteuern muss eingedämmt werden: Wir fordern eine gemeinsame europäische Bemessungsgrundlage und die Festlegung von Mindeststeuersätzen. Auf unserer Internetseite der Bundestagsfraktion www.gruene-bundestag.de finden Sie einen ausführlichen „Frage-und-Antwort“-Katalog zum Thema Griechenland.

Wir hoffen, dass wir erklären konnten, warum die Bundestagsfraktion für die Hilfe für Griechenland eintritt.

Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring

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