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Kai Gehring
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter S. •

Frage an Kai Gehring von Peter S. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Gehring,

vor der Bundestagswahl müssen alle Abgeordneten des Bundestags erneut über den Vertrag von Lissabon abstimmen, bzw. über dessen Rahmenbedingungen. Sie haben ja bereits am 24.04.2008 dem Vertrag von Lissabon samt seinem Inhalt zugestimmt. Deshalb habe ich zu einem Thema aus dem Vertrag ein paar Fragen an Sie.

Der Vertrag von Lissabon führt in allen 27 Mitgliedstaaten die Todesstrafe für Aufstand, Aufruhr, Krieg und Kriegsgefahr ein. Herr Professor Schachtschneider, der Professor der die Klage gegen den Vertrag von Lissabon schrieb, erklärt die Einführung der Todesstrafe im Video ( http://www.youtube.com/watch?v=KbuJLL3ZiJE ) Auch bestätigt Herr Hintze die Einführung der Todesstrafe ( http://www.abgeordnetenwatch.de/peter_hintze-650-5922--f160194.html#q160194 ). Herr Hintze schreibt zwar, dass die Todesstrafe nicht umgesetzt werden muss, aber bestätigt die Einführung Todesstrafe in Deutschland.
Frage 1) Warum ist für Sie die Einführung der Todesstrafe so notwendig geworden?
Frage 2) Wie können Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, dass in Deutschland die Todesstrafe eingeführt wird?
Frage 3) Welche Form von Aufstand oder Aufruhr erwarten Sie in Deutschland? Soll das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Widerstand (Art. 20 Abs. 4) so außer Kraft gesetzt werden?
Frage 4) Sehen Sie Deutschland im Krieg oder in Kriegsgefahr? Wer bedroht unser Land, oder von welchem Land sehen Sie eine Bedrohung für Deutschland/Europa?
Frage 5) Werden Sie erneut dem Vertrag von Lissabon samt Einführung der Todesstrafe zustimmen?

Meine Fragen sind durchaus ernst gemeint. Immerhin ist die Einführung der Todesstrafe nicht nur für mich ein wichtiges Thema!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schlüter,

unsere Haltung zur Todesstrafe ist völlig klar und gilt ohne jede Einschränkung. Sie ist eine besonders schwere Menschenrechtsverletzung. Die Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland und in Europa als essentieller Bestandteil der Menschenrechte ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Wir setzen uns dafür ein, dass ihre Abschaffung weltweit verbindlich durchgesetzt wird. Auch im Grundgesetz ist ein absolutes Verbot der Todesstrafe verankert.
In Artikel 102 des Grundgesetzes heißt es: "Die Todesstrafe ist abgeschafft." Dieses Verbot ist nicht einmal durch eine Grundgesetzänderung rückgängig zu machen. Das Grundgesetz selbst lässt das Verbot der Todesstrafe unter die so genannte Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes fallen.
Artikel 6 des Vertrages von Lissabon erkennt die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 als rechtlich gleichrangig mit dem Vertrag selbst an. In dem ersten Titel der Charta "Würde des Menschen" wird in Artikel 2 Absatz 2 festgeschrieben "Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden."

Auch die Europäische Menschenrechtskonvention erklärte in dem 13. Zusatzprotokoll vom 3. Mai 2002 das Verbot der Todesstrafe für verbindlich. Der Name des Abkommens ist zugleich Programm: Es heißt "Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, bezüglich der Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen" Die noch im 6. Zusatzprotokoll aus dem Jahre 1983 zugelassene Ausnahme für Kriegszeiten wurde glücklicherweise gestrichen. Auch Artikel 2 Absatz 2 der Europäischen Grundrechtscharta sieht das generelle Verbot der Todesstrafe vor. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Öcalan vs. Türkei) ist ebenfalls ganz eindeutig gegen die Todesstrafe. Die Befürchtung einer schleichenden Wiedereinführung ist von daher unbegründet.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit der Unterzeichnung des Lissabon-Vertrags (Vertreter des unterlegenen Klägers Gauweiler war Prof. Schatzschneider) lässt zudem nicht den geringsten Zweifel daran zu, dass die durch nationales Recht wie auch durch Völkerrecht geschaffene Rechtslage in Deutschland fest ist. Das gilt auch für den Fall eines Spannungs- oder Verteidigungsfalles. Die Menschenwürde und das daraus abgeleitete Verbot der Todesstrafe bleiben auch dann unangetastet. Diese Verbindlichkeit in jedem Fall wird durch Art. 2 Abs. 2 der Grundrechtscharta nicht aufgeweicht, sondern vielmehr untermauert.

Das im Grundgesetz wie auch in Artikel 2 der der EU-Grundrechtscharta verankerte Verbot der Todesstrafe verbietet freilich nicht Maßnahmen zur Abwehr einer Gefahr im Sinne des Polizeirechts. Der sog. "polizeiliche Todesschuss" ist sogar in einigen Landespolizeigesetzen verankert. Danach darf die Polizei in zugespitzten Notsituationen einen Menschen notfalls sogar töten. Das hat allerdings mit der Todesstrafe in der Begriffsbestimmung des Grundgesetzes nichts zu tun. Der Vertrag von Lissabon in Verbindung mit der Grundrechtscharta übernimmt diese Differenzierung zwischen Strafrecht und Polizeirecht. Falsch ist es daher zu behaupten, in Deutschland und den anderen 26 Mitgliedsstaaten werde faktisch durch die Hintertür die Todesstrafe eingeführt.

Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring

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