Frage an Julia Obermeier von Marijan M. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Bartz
Da Sie als Mitglied des Verteidigungsausschusses nah am Thema sind, wende ich mich an Sie. Als Reservist der Bundeswehr und ehemaliger Zeitsoldat habe ich mit ungeheurer Erschütterrung, gar Verärgerung die Medienberichte bezüglich der Einsatzbereitschaft der Fluggeräte der Bundeswehr zur Kenntnis genommen.
Die Berichte lassen keinen anderen Schluss zu, als das offensichtlich Deutschland aktuell nicht in der Lage ist, seinen militärischen Verpflichtungen nachzukommen. Dies ist ein verheerendes Signal an die eigenen Bündnispartner welche obwohl kleiner und wirtschaftsschwacher, es dennoch schaffen Ihre Aufgaben wahrzunehmen. Was für eine Botschaft dies für unsere kleinen Verbündeten im Baltikum ist, brauche ich hoffentlich nicht weiter zu erläutern.
Was gedenkt der Verteidigungsausschuss zu tun um diese Missstände, die tatsächlich eine Schande für unser Land sind gerade zu rücken? Wird man in den politischen Kreisen endlich damit beginnen, nicht immer nur auf die Nachrichtenlage zu reagieren um dann doch nichts konsequent zu Ende zu bringen, oder wird man tatsächlich eine Armee aufstellen die in der Lage ist langfristig mit modernen Waffensystemen und gut ausgebildeten Profis die Interessen Deutschlands und der EU zu schützen und zwar auch so, dass "lupenreine Demokraten" auch beeindruckt sind? Welche Schritte gedenkt man nun zu gehen?
Ich freue mich auf Ihre Antwort und hoffe das man im Bundestag nur halb so beschämt ist über diese Situation, wie ich es als Staatsbürger dieses Landes bin.
Mit freundlichen Grüßen
Marijan Misetic
Sehr geehrter Herr Misetic,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 27. September 2014. Die aktuellen Nachrichten über den Ausrüstungszustand der Bundeswehr, insbesondere beim fliegenden Gerät, machen in der Tat nachdenklich. So erwartet auch das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) einen längeren Prozess zur nachhaltigen Lösung der Materialmängel. Daher hat das BMVg, mit Unterstützung der Expertenkommission bestehend aus KPMG, P3 Group und Taylor Wessing, eine umfassende Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zentraler Rüstungsprojekte durchführen lassen. Als erstes Ergebnis wird das Verteidigungsministerium eine „Agenda Rüstung nach der Bestandsaufnahme“ aufsetzen, die den Rat der Expertenkommission sowie die Erkenntnisse des BMVg bündelt.
Hierbei werden sechs Grundsatzstrategien definiert:
1.) Rüstungsprojekte müssen sich an übergeordneten rüstungspolitischen Prioritäten orientieren. Dem Erhalt von Schlüsseltechnologien sowie multinationale Kooperationen wird hierbei besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
2.) Durch die Einführung eines neuen Risikomanagements wird das Rüstungsmanagement verbessert und die Berichterstattung direkt an das Ministerium transparenter gestaltet.
3.) Fähigkeitslücken werden geschlossen. Hierzu werden dem Parlament Vorschläge zugesandt, damit notwendige Rüstungsprojekte zeitnah in die Wege geleitet werden können.
4.) Das Projekt „Sicherheitstechnologien der Zukunft“ wird die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie verbessern. Ziel ist es, Antworten auf die veränderte Bedrohungslage, besonders die hybride Kriegsführung, zu finden.
5.) Zur Verbesserung der Einsatzfähigkeit werden laufend dezidierte Lagebilder erstellt, um frühzeitig Handlungsbedarf zu erkennen.
6.) Um die Lagebilder zu verdeutlichen, wird ein Kennzahlsystem zur Ausrüstungs-, Einsatzbereitschafts- und Fähigkeitslage entwickelt.
Durch diese Maßnahmen sind wir sehr zuversichtlich, dass die Ausrüstungsprobleme der Bundeswehr angegangen und beseitigt werden können. Da Rüstungsprojekte sehr vielschichtig und teils langwierig sind, wird es anspruchsvoll und zeitaufwendig, die Anregungen der Expertenkommission umzusetzen. Klar ist daher: Vor uns liegt ein Marathon, kein Sprint.
Trotz der bekannten Probleme kann ich mich Ihrer Einschätzung, dass Deutschland aktuell nicht in der Lage ist seinen militärischen Verpflichtungen nachzukommen, nicht anschließen. Die Bundeswehr ist derzeit an 17 verschiedenen Einsätzen weltweit beteiligt. Die Orte reichen von Afghanistan (ISAF) über das Horn von Afrika (ATALANTA) an den Balkan (KFOR) und das Mittelmeer (UNIFIL). Auch in Mali sind deutsche Soldaten im Einsatz. Neue Einsätze zum Kampf gegen Ebola in Westafrika und die Ausbildung von kurdischen Peschmerga im Nordirak fordern zudem die Bundeswehr.
Bei dem NATO Gipfeltreffen im walisischen Newport im September 2014 wurde das Aufstellen einer schnell einsatzbereiten Eingreiftruppe beschlossen. Ziel ist es, innerhalb weniger Tage einen Angriff auf das Bündnis robust abwehren zu können. Diese Eingreiftruppe wird 3.000 bis 5.000 Soldatinnen und Soldaten umfassen, hochmobil und top ausgerüstet sein. Gleichzeitig streben wir eine Erhöhung des Bereitschaftsgrades des Hauptquartiers des Multinationalen Korps Nordost im polnischen Stettin an. Bereits seit Ende August beteiligen wir uns außerdem verstärkt am Air Policing im Baltikum. Dort sind sechs deutsche Eurofighter stationiert und sichern die Ostgrenze unseres Verteidigungsbündnisses ab.
Bei all diesen Einsätzen zeigt sich zum einen, dass Deutschland sehr wohl seinen Verpflichtungen nachkommen kann, zum anderen, dass Deutschland und die Bundeswehr ein hoch geschätzter Partner bei internationalen Missionen sind. Die vorhandenen Probleme wollen wir nun systematisch lösen, damit die Bundeswehr auch zukünftig all ihren Verpflichtungen nachkommen und weiterhin als verlässlicher Partner agieren kann.
Mit freundlichen Grüßen
Julia Bartz