Frage an Julia Obermeier von Max S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Obermeier,
wahrscheinlich können Sie sich noch an Ihre Aussage aus dem Jahr 2016 erinnern, dass Sie gegen die Öffnung der Ehe für alle sind
http://www.bild.de/regional/muenchen/muenchen/hoch-auf-dem-schwulen-weg-46737048.bild.html
An sich ist das allein Ihre Entscheidung, wie Sie zu dem Thema "Ehe für alle" stehen. Jeder muss das mit seinen moralischen Vorstellungen vereinbaren.
Allerdings haben sie diese Aussage unmittelbar nachdem Sie auf einem Wagen des Christopher-Street-Days in München mitgefahren sind getätigt. Dieser Wagen stand u.a. ausdrücklich unter dem Motto: Öffnung der Ehe für alle. Dieses Motto befand sich auch in großen Lettern auf dem Banner des Wagens.
Obwohl also das Motto des Wagens (Ehe für alle) gegen Ihre Überzeugung verstoßen hat, sind Sie mitgefahren. Noch dazu kommt, dass Sie unmittelbar nach dem CSD der Bild Zeitung sagen, dass sie NICHT für die Öffnung der Ehe sin. Damit sind Sie allen Organisatoren des Wagens in den Rücken gefallen.
Wieso waren Sie auf dem CSD-Wagen, wenn Sie das Motto des Wagens nicht vertreten? Ist das nicht eine große Respektlosigkeit den Veranstaltern gegenüber? Immerhin haben Sie damit die gesamte Aktion in Frage gestellt.
Bisher haben Sie zu dem Thema leider noch keine Stellung bezogen. Daher würde ich mich über eine Antwort sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan
Sehr geehrter Herr Stefan,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zu meiner Haltung zur sogenannten „Ehe für alle“. Selbstverständlich bin ich bereit, Ihnen diese zu beantworten.
Der Bundestag hat am 30. Juni 2017 in einer namentlichen Abstimmung über das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ entschieden. Ich habe mich – wie Ihnen bekannt ist – gegen die Öffnung der Ehe ausgesprochen und ich möchte Ihnen auch darlegen warum:
Auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften werden Werte gelebt, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind. Das verdient meine große Anerkennung. Es war richtig, dass der Staat mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine eigene Institution dafür vorhält. Jegliche Form von Diskriminierung gegenüber diesen Partnerschaften lehne ich auch ganz entschieden ab.
So steht es auch im neuen Grundsatzprogramm meiner Partei, der CSU, dass ich als Mitglied der Grundsatzkommission mitgeprägt habe. Für den Abbau von Diskriminierungen und für die eingetragene Partnerschaft setze ich mich ein, aber eine Ehe kann für mich sowohl gesellschaftlich als auch kirchenrechtlich nur aus Mann und Frau bestehen und das war und wird auch weiterhin mein Leitbild und das meiner Partei bleiben.
Aber diese Haltung in der Frage der Ehe steht für mich in keiner Weise im Gegensatz dazu, dass ich mich für Toleranz und Offenheit in unserem öffentlichen Leben einsetze. Diskriminierung, Beleidigung und jegliche Form von Homophobie haben nichts in unserer Gesellschaft zu suchen. Im Deutschen Bundestag habe ich mich gemeinsam mit meiner CDU/CSU-Bundestagsfraktion stets für mehr Gleichberechtigung von Homosexuellen eingesetzt. Es war mir auch ein großes Anliegen, dass wir in dieser Legislaturperiode die Urteile des bis 1994 geltenden §175 Strafgesetzbuch aufheben und den fälschlich Verurteilten eine Entschädigung ermöglichen konnten. Es ist auch schön, in einer Stadt wie München zu leben, in der die Bürgerinnen und Bürger aufgeschlossen und mit großer Offenheit auf homosexuelle Mitbürger reagieren. Diese Offenheit möchte ich auch mir ausdrücklich zuschreiben.
Dies wollte ich besonders auch mit meiner Teilnahme am 08. Juli 2016 auf dem CSD in München bekräftigen! Im Übrigen habe ich auch gegenüber dem Bildreporter betont, dass ich mich für die Förderung der Gleichberechtigung und der Offenheit in dieser Stadt einsetze, diese Aussagen wurden nur leider nicht abgedruckt.
Mit meiner Teilnahme wollte ich mitnichten den Organisatoren „in den Rücken fallen“, ganz im Gegenteil, ich habe die Teilnahme dieses Wagens am CSD begrüßt. Ich wollte durch meine Präsenz auch ausdrücklich meine Unterstützung für eine Gründung einer Gemeinschaft der LSU in der CSU ausdrücken! Eine solche Gemeinschaft hat selbstverständlich auch in einer Volkspartei wie der CSU ihre Daseinsberechtigung. Dass sich die Nachberichterstattung zum CSD einzig auf meine Aussage zur „Ehe für alle“ bezog, ist unglücklich und war auch keineswegs von mir so gewünscht.
Mir jetzt aber – aufgrund meiner Teilnahme am CSD in Zusammenhang mit meiner Entscheidung im Bundestag – einen gewissen Grad an Feindlichkeit in Bezug auf homosexuelle Männer und Frauen vorzuwerfen, kann ich nicht nachvollziehen. Das würde nämlich Homophobie, die sich leider in vielen Fällen auch mit körperlicher Gewalt und Angriffen ausdrückt, in höchstem Maße verharmlosen! Ich respektiere und akzeptiere die Entscheidung jedes Einzelnen meiner Bundestagskollegen, egal ob man sich für oder gegen die Ehe für alle ausgesprochen hat. Und diese Akzeptanz würde ich mir auch von anderer Seite aus wünschen!
Viele Inhalte des LSU stimmen mit meinen Überzeugungen zu 100 Prozent überein, auch wenn ich bei der Frage der Ehe anders votiert habe. Falls dieses Votum höher bewertet wird, als mein Einsatz für Gleichberichtigung und Akzeptanz, finde ich dies bedauerlich!
Sehr geehrter Herr Stefan, ich habe Verständnis für Ihre Verärgerung, ich erwarte auch nicht, dass Sie meinen Ausführungen vollumfänglich zustimmen, aber ich hoffe, dass Sie diese respektieren und wir uns gemeinsam weiterhin wirkungsvoll gegen Homophobie, Diskriminierung und für mehr Akzeptanz in unserer Gesellschaft einsetzen können!
Beste Grüße
Julia Obermeier MdB