Sehen Sie die Grundwerte der Grünen mit der überwiegenden Zustimmung Ihrer Partei zu einer Corona-Impfpflicht noch gegeben und wenn ja inwiefern?
Sehr geehrter Jürgen Trittin,
die Partei Die Grünen erschien in den letzten 20 Jahren neben Umweltschutz auch für Gleichberechtigung, Menschenrechte, Minderheitenschutz, offenen Diskurs und Nähe zur Natur zu stehen. Inwiefern sind diese Werte neben dem Auschluss aus dem öffentlichen und teilw. auch dem Berufsleben durch 2G+ damit zu vereinbaren, die Bürger* zu einer Corona-Impfung verpflichten zu wollen, mit Impfstoffen, die 2019 auf eine nicht mehr existierende Variante entwickelt wurden, mit der auch geimpft/geboosterte Menschen sich und andere anstecken können und Krankenhausaufenthalte nur bedingt verhindert werden (Datenlage z. Impfstatus im KH/ITS ist unklar) also wohl kaum Solidarität generiert wird? Auch die Nebenwirkungen sind noch nicht abschließend geklärt. Für die von der EMA bedingt zugelassenen, neuartigen Impfstoffe liegen nicht alle Daten vor. Die klinischen Studien laufen bei Pfizer z.B. noch bis Mai 2023 (https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04368728)
Guten Tag,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Wir befinden uns aktuell in einer äußert angespannten Notsituation: Die Lage hier in Deutschland ist mit sehr hohen Inzidenzen mehr als ernst. Die Krankenhäuser sind am Rande ihrer Kapazität, das Pflegepersonal ist seit 19 Monaten im ständigen Krisenmodus und die vollumfängliche Gesundheitsversorgung für alle Menschen in Deutschland ist damit nicht mehr gesichert.
Dabei beträgt die Impfquote lediglich knapp über 70 %. Hinzu kommt, dass es weiter Auffrischungsimpfungen für bereits geimpfte Personen braucht. Das reicht nicht aus, um die aktuelle Infektionswelle zu brechen und die nächste zu verhindern. Die Infektionswellen in Deutschland verlieren erst dann ihren Schrecken, wenn in der Bevölkerung eine Grundimmunität erreicht wird. Diese liegt laut Robert-Koch-Institut bei etwa 85 Prozent. Dadurch wird die Übertragung des Virus gebremst und die Zahl schwerer Verläufe gesenkt. Außerdem verringert sich mit einer hohen Impfquote auch die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung von Mutationen des Virus, wie wir sie gerade mit der Omikron-Variante erleben.
Aus diesem Grund halte ich als ersten Schritt eine Impfpflicht für Pflegeberufe, für Lehrer*innen und Betreuer*innen für absolut notwendig. Damit schützen wir besonders vulnerable Menschen, die beispielsweise in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder anderen Einrichtungen behandelt, betreut oder gepflegt werden. In einem weiteren Schritt werden wir um die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht nicht herum kommen, um die Impflücke in der Bevölkerung wirksam und zügig zu schließen und uns so vor kommenden Infektionswellen im Frühjahr und Herbst zu wappnen.
Eine allgemeine Impfpflicht stellt zweifelsohne einen Eingriff in die Grundrechte dar. Gegenüber stark die Freiheit der gesamten Gesellschaft betreffenden Maßnahmen - wie wiederkehrende Lockdowns mit starken Kontaktbeschränkungen und gravierenden Folgen insbesondere für Kinder, aber auch ökonomischen Konsequenzen - ist eine allgemeine Impfpflicht aus meiner Sicht jedoch das mildere Mittel.
In diesem Sinne sehe ich mich dazu gezwungen, mich im Bundestag dafür einzusetzen eine solche Impfplicht auf den Weg zu bringen. Klar ist nämlich: Die vierte Corona-Welle mit der Überlastung unserer Intensivstationen werden wir nur noch abmildern können, aber die fünfte Welle mit weiteren Tausenden Toten können wir mit einer Impfquote von über 85% verhindern. Nur mit einer solchen Impfpflicht kommen wir aus der Pandemie und nur so sichern wir die Gesundheit und die Freiheit aller.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und bleiben Sie gesund!
Jürgen Trittin