Frage an Jürgen Trittin von Stephan F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Trittin,
zwei Fragen, die sich auf Ihre Koalitionsaussage beziehen:
«Wir haben es nicht zu verantworten, wenn die SPD lieber bei Frau Merkel unterschlüpft als mit Lafontaine zu sprechen.» ( http://www.trittin.de/texte/papiere/20090303_bf_Wahlaussage.pdf )
Messen Sie hier nicht mit zweierlei Maß? Zwar übernimmt angeblich die SPD dafür Verantwortung, dass sie Gespräche mit den Linken zurückweist, für die Grünen jedoch soll das nicht gelten. In Wirklichkeit ist es doch so, dass SPD und Grüne hier an einem Strang ziehen. Wie kann man da sagen: «Wir haben es nicht zu verantworten»?
Weiter: «Aber es kann auch nicht unser Interesse sein, als Steigbügelhalter für Schwarz-Gelb zu agieren.»
Eben wurde jegliche Verantwortung noch abgestritten - siehe das vorausgehende Zitat -, nun ist sie auf einmal wieder da.
Inwiefern die Grünen allerdings Steigbügelhalter für Schwarz-Gelb sein sollen, kann ich nicht logisch nachvollziehen. Angenommen man hätte die Konstellation, dass sowohl Schwarz-Gelb als auch Rot-Grün-Gelb eine Regierungsmehrheit bilden könnten. Dann läge es einzig und allein an der FDP, sich für das eine oder andere zu entscheiden. Schwarz-Gelb kann doch nur dadurch verhindert werden, dass SPD, Grüne und Linke genug Stimmen erhalten. Dafür wäre es sogar irrelevant, ob Wähler von den Grünen zur SPD oder Linken abwandern.
Welche Konstellation wäre überhaupt denkbar, in der man die Grünen als Steigbügelhalter für Schwarz-Gelb betrachten könnte? Mir fällt dazu nichts ein. Hat dieses Argument irgendeinen nachvollziehbaren Hintergrund?
Die Spitzen der Grünen wollen von ihren linken Wählern offenbar nichts mehr wissen. (Das gleiche gilt für die SPD.) Das führt letztlich zu einer Spaltung innerhalb der linken Hälfte der Parlamente. Das kann sich eigentlich niemand wünschen, auch die Linke nicht. Ich verstehe nicht, wie man ohne Not diese unglückliche Situation auch noch befördern kann.
Sehr geehrter Herr Fleischhauer,
ich habe versucht, in mehr als zwei Sätzen meine Position deutlich zu machen.
Es ist sicherlich so, dass es Koalitionen gibt, die für uns Grüne attraktiver sind als andere. Vorweg soll noch einmal deutlich gemacht werden, dass bei jeder Koalition die Umsetzung grüner Politik im Vordergrund steht. Selbst eine Wunschkoalition wird es mit uns nicht geben, wenn wir nicht unsere grünen Inhalte in dieser umsetzen können. Grundsätzlich besteht die Koalition aber nicht nur aus einer Koalitionsaussage, sondern auch aus vier Jahren Zusammenarbeit. Und diese ist mit manchen Partnern eher erfolgreich als mit anderen.
Bei mir und den meisten meiner Parteifreunde wird sicherlich eine Rot-Grüne Koalition auf die größte Zustimmung stoßen - auch wenn wir in der zurückliegenden Regierungszeit nicht nur gute Erfahrungen gemacht haben. Eine linke Mehrheit im Bundestag zur Regierung zu bringen ist ebenfalls ein Ziel, dass die meisten Parteimitlgieder mit mir teilen. Ich muss aber darauf verweisen, dass Die Linke selbst nicht an die Regierung will. Die SPD keinesfalls 2009 mit der Linken eine Regierung für möglich hält. Und einzelne Positionen der Linken - insbesondere zur EU und zur Außenpolitik - eine Regierungsfähigkeit der Linken auf Bundesebene in Frage stellt.
Zu ihrer zweiten Frage. Es ist doch wohl nicht nur eine Frage der FDP, vor der Wahl zwischen einer Koalition mit der CDU und den Grünen oder der SPD und den Grünen zu stehen. Wir stehen bei einer solchen Koalition vor der selben Frage - und diese habe ich eindeutig beantwortet. In einer Koalition mit CDU/CSU und FDP also einer Vierparteienkoalition würde der kleinste Partner sicherlich nicht nur am wenigsten sondern gar nichts mehr zu melden haben.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin