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Jürgen Trittin
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Frage von Peter und Inge S. •

Frage an Jürgen Trittin von Peter und Inge S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Trittin,

Biosprit verteuert Lebensmittel um 75% .
Die Produktion von Biosprit hat einem vertraulichen Bericht der Weltbank zufolge die Lebensmittelpreise um bis zu 75 Prozent in die Höhe getrieben. Die Kanzelrin warnt vor Gefahren für die Demokratie.
Federführend Sie, gemeinsam mit Ihren Bündnisgrünen, haben gegen jeglichen externen Sachverstand die Biospritproduktion als "Segen" für Mensch und Umwelt durchgepeitscht. Bedrückt Sie dies etwas, oder sind Ihnen die Folgen Ihres gefährlichen Irrweges völlig egal?

Peter und Inge Seiler

Portrait von Jürgen Trittin
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Seiler,
sehr geehrter Herr Seiler,

die Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung des Klimawandels. Ohne die Nutzung von Biomasse wird es in vielen Entwicklungsländern nicht möglich sein, die Armut zu bekämpfen, die Menschen mit Energie zu versorgen sowie die Klimaschutzziele zu erreichen.

Wir wissen nicht, wie die Weltbank zu ihren Zahlen kommt, da die Studie nicht veröffentlicht wurde. Momentan werden aber nur auf max. 2% der landwirtschaftlichen Nutzfläche Agrartreibstoffe angebaut. Darüber hinaus findet praktisch kein Import von Biomasse zur Energieerzeugung nach Europa statt. In Bezug auf die Herstellung von Agrarprodukten stellen die Agrartreibstoffe - neben Futter und Nahrungsmitteln - einen nur geringen Teil dar.
Trotzdem ist es richtig, die Herstellung von Biomasse zur Energieerzeugung an strenge Nachhaltigkeitskriterien zu binden. Diese muss durch eine Zertifizierung durchgesetzt werden.

Eine solche Zertifizierung muss aber alle Agrarprodukte umfassen, auch Nahrungs- und Futtermittel, aber auch Papier und Holz, weil sonst sofort Umgehungstatbestände geschaffen werden. So ist der heute viel kritisierte Palmölanbau auf abgeholzten Flächen Indonesiens eine Folgenutzung des Kahlschlags für die Papier und Holzproduktion. Die massiven Eingriffe in den brasilianischen Regenwald gehen zurück auf den Anbau von - häufig genverändertem - Soja für die Futterlmittelproduktion.

Das Problem der hohen Nahrungsmittelpreise ist ein vielschichtiges und vor allem durch eine falsche Agrarpolitik in Europa und den USA verursacht. Mit hohen Subventionen werden Agrarerzeugnisse aus Europa und den USA auf den Weltmarkt gebracht, häufig zu so niedrigen Preisen, dass sich der Anbau in afrikanischen Ländern nicht mehr lohnt. So ist die Geflügelzucht in Afrika praktisch zum erliegen gekommen, da hoch subventioniertes Geflügel aus der EU dort billig verkauft wird.

Auch die hohen Maismehlpreise in den USA (Tortilla-Krise) haben nur vordergründig etwas mit dem Biotreibstoff zu tun. Durch die Freihandelszone wurde US-Mais in Mexiko so billig verkauft, dass sich der Anbau für die Kleinbauern nicht mehr lohnte und diese den Anbau einstellten. Als dann der Mais zu Ethanol umgewandelt wurde, stieg der Maispreis, und die Kleinbauern, die bisher selbst Mais angebaut hatten, mussten diesen jetzt zu den wieder gestiegenen Preisen einkaufen - was ohne Einkommen schwer fällt.

Nur wenn wir erreichen, dass die ärmsten Länder dieser Erde durch eine gerechte Agrarpolitik wieder in die Lage versetzt werden, wenigsten genügen Lebensmittel für den eigenen Bedarf herzustellen, werden wir den Hunger in der Welt bekämpfen können.
Und dabei wird es eine große Rolle spielen, wieviel Fleisch in den Industrieländern mit Futtermittel aus den Entwicklungsländern produziert wird, das dann womöglich hoch subventioniert in Afrika verkauft wird und den Menschen dort die Erwerbsmöglichkeit nimmt.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin