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Jürgen Trittin
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Frage von Gabriele Dr. M. •

Frage an Jürgen Trittin von Gabriele Dr. M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Trittin,
Sie beantwortenm die Anfrage von Herrn Klein wie folgt:
"...Tatsächlich hat inzwischen eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung mit Ihren Repräsentanten Ja zum Vertrag von Lissabon gesagt, denn er bedeutet mehr Transparenz, mehr Bürgernähe, mehr Demokratie und mehr Handlungsfähigkeit für über 400 Mio. Menschen in Europa. Das durch das Veto von 876 000 zu blockieren wäre nicht demokratisch..."

Herr Trittin,
im Artikel 38 (1) GG steht geschrieben...Sie (die Bundestagsabgeordneten) sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen....

Sehr geehrter Herr Trittin, woher nehmen Sie eigentlich die Gewissheit, dass die Abgeordneten in dieser Frage tatsächlich die Mehrheit ihrer Wähler vertreten und nicht einem Fraktionsszwang folgen?
Nach diesem Artikel des GG sind die Abgeordneten absolut nicht dem Willen der Mehrheit ihrer Wähler verpflichtet !!!
Demokratisch war das irische Verfahren, nämlich die Bürger über ihre neue Verfassung entscheiden zu lassen.
Herr Trittin, weshalb stehen die Spielregeln der EU vor der Abstimmung fest, nämlich Einstimmigkeit, doch bei unerwartetem Wahlausgang suchen Politiker plötzlich nach spitzfindigen diplomatischen Kniffen? Ist dies demokratisch?

Mit freundlichem Gruß
Dr. Gabriele Musiol

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Dr. Musiol,

wie Sie richtig zitieren, sind die Abgeordneten Vertreter des Volkes und demokratisch gewählt. Das ist auch in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union so. Deshalb können sie schlecht meine Feststellung bestreiten, dass die Mehrheit der Völker der EU Ja zu dem Vertrag von Lissabon gesagt hat.

Das Vertragsänderungen der Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten bedürfen, ist in den Verträgen geregelt und muss deshalb beachtet werden. Rechtlich bindend ist nicht aber nicht automatisch demokratisch. Im Gegenteil. In diesem Fall hebelt diese Regel den Kernbestand der Demokratie - das Mehrheitsprinzip - sogar doppelt aus. Weil Europa aus Mitgliedstaaten entstanden ist, gilt hier nämlich das Prinzip der doppelten Mehrheit -- der Mehrheit des Volkes wie der Mehrheit der Mitgliedstaaten.

Das Volk Europas hat mittlerweile zweimal durch seine direkt gewählten Abgeordneten im Europäischen Parlament mit übergroßer Mehrheit Ja zum Vertrag von Lissabon wie zuvor zum Vertragsvertrag gesagt. Und es haben eine überwältigende Mehrheit von Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert. Beide demokratischen Mehrheiten werden durch das Veto eines Landes nunmehr blockiert. Das ist die Rechtslage -- aber demokratisch ist nicht.

Auch die Demokratien kennen Begrenzungen vom Mehrheitsprinzip, sogar absolute Grenzen wie etwa die Würde des Menschen, die auch mit Mehrheit nicht abgeschafft werden darf. Für Änderungen der Verfassung werden in der Regel erhöhte Mehrheitsanforderungen gestellt. In Deutschland darf das Grundgesetz nur mit der Mehrheit von Zweidrittel der Abgeordneten des Bundestages und mit Zweidrittelmehrheit im Bundesrat geändert werden. So konnte das Grundgesetz trotz des Neins von Bayern in Kraft in treten. Bayern konnte das nicht verhindern -- obwohl deutlich größer als Irland. Im gegenüber Deutschland viel größeren Europa kann ein Land kleiner als Berlin jede Verfassungsänderung blockieren. Das ist nicht demokratisch und ein Zustand der überwunden werden muss -- was aber aus dem gleichen Grund sehr schwer wird.

Mit freundlichem Gruß
Ihr

Jürgen Trittin