Frage an Jürgen Trittin von Sonja B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Trittin, wie stehen Sie zum Thema Volksabstimmung im Grundsatzprogramm Ihrer Partei?
Sehr geehrte Frau Bertling,
Herzlichen Dank für Ihre Nachricht.
Das Thema der direkten Demokratie begleitet uns Grüne bereits seit unserer Gründung unter den Werten Ökologisch - Sozial - Basisdemokratisch - Gewaltfrei. Schon in diesen Werten des Grundsatzprogramms von 1980 spiegeln sich Spannungen und Widersprüche. Und deshalb war die Frage, ob Volksentscheide ein gutes Instrument sind, um diese Werte durchzusetzen, durchaus umstritten.
Dennoch fand die Forderung nach Volksabstimmungen lange in verschiedenen Grünen-Programmen Eingang - oft gegen die Stimmen von Grünen wie mir. Diese Position haben wir mit der Entscheidung von der Bundesdelegiertenkonferenz geändert.
Mit Veränderung schafft Halt sind wir jedoch nicht von der Volksastimmung im Grundsatzprogramm abgerückt. Im Gegenteil – Volksabstimmungen waren im bisher gültigen Grundsatzprogramm nicht enthalten. Im bisherigen Programm von 2002 war davon die Rede: „Es sind neue Beteiligungsformen zu ermöglichen und zu etablieren, die geeignet sind, den gesellschaftlichen Dialog zu befördern.“
Genau das leistet das neue Grundsatzprogramm – es schafft mit dem Instrument der Bürger*innen-Räte ein konkretes Beteiligungsinstrument, welches ich begrüße.
Meine Kritik am Instrument der Volksentscheide auf Bundesebene ist eine grundsätzliche und nicht neu. Aber sie hat durch die Erfahrungen mit real stattgefundenen Volksentscheiden und dem Aufstieg rechter Populist*innen, Nationalist*innen und Rassist*innen eine neue, bittere Aktualität bekommen.
Volksentscheide wären ein Wechsel des demokratischen Betriebssystems unseres Landes. Und sie bedeuten eine Schwächung der parlamentarischen Demokratie. Und in Zeiten, wo wir Abgeordnete als Vertreter*innen einer Corona-Diktatur beschimpft und in den Räumen des Deutschen Bundestags bedrängt werden, halte ich das für den falschen Weg.
Ich hoffe Ihnen hiermit meine und unsere Position zur Volksabstimmung etwas nachvollziehbarer erklärt zu haben.
Mit besten Grüßen
Jürgen Trittin