Frage an Jürgen Trittin von Alice E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Trittin,
welche Haltung haben Sie bzw Ihre Partei zum Thema Abstimmungsgesetz und bundesweiter Volksentscheid?
Für die Beantwortung meiner Frage wäre ich sehr dankbar!
Gruß
A. E.
Sehr geehrte Frau E.,
Deutschland hat sich nach dem 2. Weltkrieg für ein föderales System der repräsentativen Demokratie entschieden. Hierzu gehört ein System starker Institutionen - vom Bundestag über den Bundesrat bis zum Bundesverfassungsgericht. Hierzu gehören unveräußerliche Grundrechte sowie eine funktionierende Gewaltenteilung. Diese Richtungsentscheidung des Grundgesetzes beruhte auf der Erfahrung, dass Holocaust und die 60 Millionen Toten des 2. Weltkriegs durch die Machtübertragung an die Nazis möglich wurden. Diese hatten die Macht nicht ergriffen, sondern sie ist ihnen übertragen worden.
Volksentscheide und direkte Demokratie stärken weniger die Wähler*innen, sondern schwächen die demokratischen Institutionen und die Gewaltenteilung. In Polen, in Ungarn müssen wir aktuell erleben, wie unter der Berufung auf den Volkswillen, Pressefreiheit und eine unabhängige Justiz in Frage gestellt werden. In der dortigen populistischen Behauptung des Volkswillens kommen wesentliche Verfassungsprinzipien, die Rechte von Minderheiten sowie Grundrechte unter die Räder. Wie viel eine funktionierende Gewaltenteilung wert ist, lässt sich aktuell in den USA beobachten. Eine unabhängige Justiz und ein starker Kongress setzen dem populistischen Präsidenten in seiner Berufung auf die Mehrheit des Volkes klare Grenzen.
Deswegen teile Ich persönlich die Forderung nach Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene nicht. Ich teile auch nicht die damit einhergehende Unterstellung, die Entscheidung gewählter Abgeordneter habe eine geringere demokratische Legitimität, als die direkte Demokratie.
Allerdings halte es Ich es für notwendig, Transparenz und Partizipation zu steigern. Hierzu gehören unter anderem umfangreiche Informationsfreiheitsgesetze, die Einführung von Gruppenklagen für Verbraucher, Umweltverbände und Friedensinitiativen, ein Begrenzung von Parteispenden sowie die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin