Frage an Jürgen Trittin von Yvonne R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Trittin,
ich wüsste gerne, wie Sie zu dem EZB Beschluss, Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen, stehen, vor allem, welche Gefahren dies für die Zukunft bedeutet.
Im Augenblick kann man feststellen, dass die Meinungen der Politiker geteilt sind, Merkel laviert.
Nun wurde in den Nachrichten bei Ihrem Beitrag, Herrn Trettin, abgeblendet. Da wenigstens an Ihrem Gesicht ablesbar war, was Sie von dieser neuen Politik der EZB halten, würde ich es nun gerne auch epressis verbis wissen.
Außerdem wüßte ich gerne, wie Ihre und der Grünen Ziele angesichts dieses Komplexes aussehen.
Ich meine, dass man sich für die Zukunft große Sorgen machen kann, wüßte aber gerne Ihre Meinung.
Mit freundlichen Grüßen
Y. Ruck
Sehr geehrte Frau Ruck,
der überhöhte Zinsdruck auf die Krisenstaaten ist ein zentrales Problem der Krise. Da Zinsen für Unternehmen sich an den Zinsen für Staatsanleihen orientieren, müssen selbst sehr starke Unternehmen in Italien und Spanien derzeit hohe Zinsen für Kredite zahlen. Dadurch werden Investitionen unrentabel und Arbeitsplätze sind gefährdet. Die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen in Spanien hat mittlerweile die 50% Grenze überschritten und die niedrigen Zinsen der EZB kommen in Spanien nicht an. Daher hat sich die EZB entschieden, Anleihenkäufe gemäß Art. 18 ihres Statuts durchzuführen, also ein Instrument anzuwenden, dass ihr explizit in den Verträgen erlaubt ist. Wir halten Anleihekäufe durch die EZB nicht für die beste Lösung des Problems. Wir Grüne fordern wie der Sachverständigenrat der Bundesregierung seit langem einen europäischen Schuldentilgungspakt, bei dem alle Staaten -- einschließlich Deutschlands - mit Hilfe eines Altschuldentilgungsfonds gegen sehr strikte Auflagen und bei definierten Rückzahlungsraten gemeinsam für einen bestimmten Teil der Schulden garantieren. Auch dadurch würde der Zinsdruck gemildert und die Konsolidierung in den Krisenstaaten auf eine demokratisch kontrollierbare und legitimierte Weise ermöglicht. Die Bundesregierung blockiert aber einen solchen Weg. Die EZB wird durch die politische Zögerlichkeit der Bundesregierung bei der Krisenbekämpfung in die Rolle eines Feuerlöschers gedrängt. Die übernimmt sie nun mit diesem Anleihekaufprogramm, dass sie übrigens an sehr strikte Bedingungen knüpft. Sie macht es zur Voraussetzung der Anleihekäufe, dass sich die betreffenden Staaten unter den Rettungsschirm ESM begeben. Im Falle von Italien und Spanien etwa ist das noch nicht der Fall und entsprechenden Anträgen müsste der Deutsche Bundestag zustimmen. Wirkliche demokratische Legitimität aber hätte die Lösung über einen von den nationalen Parlamenten der Staaten zu beschließenden Schuldentilgungspakt.
Grundsätzlich gilt für uns Grüne: Die europäische Integration ist ein sehr hohes Gut von historischer Tragweite. Wir dürfen sie nicht opfern unter dem Druck einer zur Staatschuldenkrise gewordenen Bankenkrise. Stattdessen sollten wir den mutigen Schritt hin zu einer stärkeren wirtschaftspolitischen Integration gehen. Im Rahmen einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik können den Ursachen solcher Krisen auch stärker vorgebeugt werden: den großen Ungleichgewichten in der Wettbewerbsfähigkeit, den großen Unterschieden in der Steuer- und Lohnpolitik sowie in der Finanzmarktregulierung.
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Trittin