Frage an Jürgen Trittin von Benjamin C. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Trittin,
die Staatsverschuldung Deutschlands beträgt knapp 2000 Milliarden € zusätzlich einer Haftungssumme für die Euro-Zone von, je nachdem wie man es rechnet, 800-1500 Milliarden €. Die Verschuldung pro Bruttoinlandsprodukt beträgt damit grob 120%. Sollten die Haftungssummen steigen und die Zinsen am Fremdkapital steigen, was beides durchaus nicht unwahrscheinlich ist, welche Staatsschuld ist Ihrer Einschätzung nach tragbar? In anderen Worten ab wann gerät Deutschland in die gleiche Gefahr wie Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, Irland, Zypern (drohende Staatsinsolvenz)? Selbst wenn man eine signifikanten Anteil des Haushaltsbudgets einsetzen würde, würde es wohl mindestens 20 Jahre dauern bis man überhaupt wieder die Maastricht Kriterien erfüllt. Wie es also möglich, dass unter diesen Umständen gerade Haftungsvolumina von unbegrenztem Ausmaß beschlossen wurden? Die ökonomische Analyse dazu würde mich interessieren.
Mein zweite Frage betrifft den ESM. Es ist doch ganz klar und eindeutig, dass der Bundestag über die wesentlichen finanziellen Dinge des Landes bestimmt. Ich frage mich welches Rechtsverständnis hier zu Grunde liegt. Der Staatsrechtler Paul Kirchhof schreibt heute am 12.7.2012 in der FAZ: "Wohl aber sind viele bereit, im Heute ein Stück des Weges in die weitere Illegalität voranzuschreiten, weil dieser Weg beachtliche Gewinne verheißt oder auch nur die Chance bietet, drohende Verluste auf andere zu verschieben. Wir spielen mit dem Feuer, wollen selbstverständlich niemals den großen Brand. Doch dieser droht ernstlich." Die Entscheidung über den ESM ist unzweifelhaft eine der wichtigsten der letzten 20 Jahre. Trotzdem weiß kaum ein Bürger was sich hinter diesem Akronym verbirgt. Welches Verständnis von Demokratie kommt denn hier zum Ausdruck? Der Bundestag ist immer noch dem deutschen Volk Rechenschaft schuldig, zumindestens wenn das Grundgesetz noch bestand haben soll.
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Cordes
Sehr geehrter Herr Cordes,
die deutsche Staatsschuldenquote beträgt aktuell über 80% des BIP. Eine eindeutige Grenze ab wann die Staatsverschuldung zu hoch ist gibt es nicht. Aber klar ist: je höher die Verschuldung ist, desto größer ist die Gefahr sich den Finanzmärkten auszuliefern. Eine der Lehren aus der aktuellen Krise muss deshalb sein die Verschuldung zu begrenzen und schrittweise abzubauen. Wir Grünen wollen Schulden abbauen und die strukturelle Unterfinanzierung des Staates beenden. Dazu streben wir einen Dreiklang aus Ausgabenkürzungen, Effizienzsteigerungen und Einnahmeverbesserungen an. Mit einer befristeten Vermögensabgabe für Millionäre wollen wir die Schulden aus der Finanzkrise abtragen. Die staatlichen Maßnahmen in der Krise haben dazu beigetragen, das Vermögen geschützt wurde. Wir halten es daher für notwendig die Vermögenden an den Kosten der Krise angemessen zu beteiligen. Die Details des durchgerechneten grünen Konzeptes zur Vermögensabgabe finden Sie unter folgendem Link:
http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/gruene_vermoegensabgabe.pdf
Bündnis 90/Die Grünen haben sich sehr gründlich mit dem ESM befasst. Er ist ein wichtiger Baustein, um die Eurozone langfristig zu stabilisieren. Er wird Euro-Staaten helfen, die sich in einer Notlage befinden und am Markt keine bezahlbaren Kredite mehr bekommen und dafür sorgen, dass die Notlage eines Mitgliedstaates nicht zu einer Notlage der gesamten Eurozone führt. Zudem bietet er einen gemeinsamen Schutz vor Spekulationen gegen einzelne Mitgliedsstaaten. Deshalb haben wir im Bundestag und Bundesrat dem ESM zugestimmt. Die Vorbehalte und Einwände zum ESM kennen wir, halten Sie aber für unzutreffend. Ausführliche Informationen hierzu und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum ESM aus grüner Sicht finden Sie unter:
http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/euro/FAQ_ESM_120628.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin