Frage an Jürgen Trittin von Renate B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Trittin,
ich bin nach dem Sozialgesetzbuch schwerbehindert.
Meine Behinderung sieht man mir nicht an, ich sitze nicht im Rollstuhl, mir fehlen keine Gliedmaßen, trotzdem bin ich in meinem Leben eingeschränkt.
Im Urlaub im europäischen Ausland sehe ich, genau wie hier in Deutschland, an den Kassen von Museen etc, dass es Ermäßigungen für schwerbehinderte Personen gibt.
Diese Ermäßigungen kann ich nie in Anspruch nehmen, da es auf deutschen Behindertenausweisen keinen fremdsprachlichen Hinweis bzw. Zeichen (z.B. Rollstuhl analog Behindertenparkausweis) gibt und dieser Ausweis nicht europäisch harmonisiert ist.
Warum ist der Krümmungsgrad der Bananen und Gurken wichtiger als ein harmonisierter europäischer Schwerbehindertenausweis?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Renate Biener
Sehr geehrte Frau Biener,
vielen Dank für Ihre Frage, die mich über abgeordnetenwatch.de erreicht hat.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie sich als Mensch mit einer nicht sichtbaren Beeinträchtigung in den von Ihnen beschriebenen Fällen benachteiligt fühlen. Wir als Fraktion unterstützen Forderungen nach einer gegenseitigen Anerkennung der Behindertenausweise verschiedener europäischer Länder. Bisher scheiterten entsprechende Bemühungen meiner Kenntnis nach an zwei Faktoren. Erstens gab es in den Staaten der EU bisher keine einheitliche Definition des Begriffes "Behinderung". Gerade Beeinträchtigungen, die nicht offen sichtbar sind, werden in bestimmten Staaten nicht als Behinderung anerkannt. Eng damit zusammen hängt die Frage, ob es in allen Staaten der EU überhaupt nationale Behindertenausweise gibt, was sich leider meiner Kenntnis entzieht. Der zweite Grund für das Scheitern entsprechender Vereinbarungen ist die Befürchtung der Staaten, mit einer Anerkennung ausländischer Behindertenausweise könnten unabsehbare Mehrkosten für den Staat entstehen.
Mit dem Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in allen Staaten der EU, mit dem in absehbarer Zeit zu rechnen ist, wird zumindest das erste genannte Hindernis beseitigt. Mit der Ratifikation der Konvention ist erstmals ein Gesetz in allen Staaten der EU in Kraft, das eine von allen Mitgliedsstaaten anerkannte Definition des Begriffs Behinderung enthält. Die EU Kommission plant laut ihrer am 15.11.2010 veröffentlichten behindertenpolitischen Strategie in den nächsten Jahren eine Initiative zur gegenseitigen Anerkennung der nationalen Behindertenausweise bzw. zur Schaffung eines europäischen Behindertenausweises. Die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wird dieses Vorhaben unterstützen, da es die Mobilität behinderter Menschen innerhalb der Union fördert und somit einen Schritt zur gleichberechtigten Teilhabe darstellt. Bei einer Vereinheitlichung muss allerdings gewährleistet sein, dass niemand bisher bestehende Rechte verliert.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Trittin