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Jürgen Trittin
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Frage von Mareike B. •

Frage an Jürgen Trittin von Mareike B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Trittin,

ich bin Schülerin der 12. Jahrgangsstufe des EGDs und habe mich letztens im Religionsunterricht mit dem Thema Stammzellenforschung sowie mit der Debatte um die Stichtagsverlängerung im Bundestag auseinandergesetzt. Zum Abschluss dieser Thematik möchte sich unser Kurs nun an Sie, als Vertreter unserer Region, wenden und Sie zu der aktuellen Gesetzeslage befragen. Wie stehen Sie zu dem Stammzellgesetz und wie ist Ihre Meinung zu der ethischen Problematik ? Wie haben Sie 2008 bei der politischen Debatte abgestimmt ?

Mit freundlichen Grüßen,

Mareike Bonitz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Bonitz,

gemeinsam mit einer großen Mehrheit der grünen Fraktion habe ich mich 2008 aus ethischen und auch forschungspolitischen Gründen gegen eine Verschiebung des Stichtages ausgesprochen (siehe http://www.abgeordnetenwatch.de/aenderung_des_stammzellgesetzes-636-144---abstimmungsverhalten-p_11_abst_nein.html#abst_verhalten ).

Die Gründe dafür sind vielfältig:
Grundlagenforschung mit den in Deutschland zugelassenen embryonalen Stammzellen findet nicht nur in Deutschland erfolgreich statt, sondern diese werden auch in anderen Ländern in der Grundlagenforschung genutzt. Auch für die vergleichende Forschung zwischen adulten Stammzellen oder reprogrammierten Zellen mit stammzellähnlichen Eigenschaften ist es nicht notwendig, über die bereits in Deutschland zugelassenen embryonalen Stammzellen weitere zuzulassen und deswegen den Stichtag zu verschieben. Die so genannte "Kontamination" der in Deutschland zugelassenen embryonalen Stammzellen wird nur behauptet, ist aber nie nachgewiesen worden. Schon in den Anfängen der Fortpflanzungstechnologien wurde vor dem Missbrauchspotenzial gewarnt. Gefürchtet wurde, dass Forscher Interesse sowohl an den Eizellen als auch an den Embryonen außerhalb des Körpers der Frau haben könnten. Im Embryonenschutzgesetz in Deutschland ist deshalb nicht nur die Herstellung von Embryonen für Forschungszwecke verboten, sondern auch die Eizellspende. Bei einer Verschiebung oder gar Streichung des Stichtages im Stammzellgesetz kann nicht ausgeschlossen werden, dass zukünftig auch embryonale Stammzell-Linien nach Deutschland importiert werden können, die nicht aus tiefgefrorenen, sondern aus "frischen" und bezahlten Embryonen entwickelt wurden. Der Wunsch der Menschen nach Gesundheit sowie körperlicher und seelischer Integrität hat für Bündnis90/Die Grünen einen hohen Stellenwert. Es ist verständlich, dass viele Menschen eine hohe Erwartung an die biomedizinische Forschung haben. Darum müssen die realistischen Chancen biomedizinischer Ansätze auf eine Therapie oder eine verbesserte Diagnostik genutzt und die Forschung darf nicht unnötig behindert werden.

Diese verständlichen Anspruchsrechte von PatientInnen und Forschenden dürfen aber nicht den Lebensinteressen Dritter oder elementaren Grundwerten wie dem Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte entgegenstehen. Es gibt immer wieder Forschungsvorhaben, die zu risikoreich sind bzw. Bereiche betreffen, die ethisch oder moralisch nicht vertretbar sind. Daher muss der Ruf nach Forschungsfreiheit immer gegen den gesellschaftlichen Nutzen und ethische Grenzen abgewogen werden. In der embryonalen Stammzellforschung wird ein hochsensibles Thema berührt, das dem Schutz der Menschenwürde gerecht werden muss. Wettbewerbsfähigkeit ist ein legitimes Ziel der Forschung; sie ist jedoch nur innerhalb der Grenzen ethischen Handelns zu rechtfertigen. Eine Freigabe der Forschung ohne ethische Grenzen rein aus wettbewerblichen und ökonomischen Gründen ist für Bündnis 90/Die Grünen nicht akzeptabel.

Wir setzen uns für eine Stärkung alternativer Ansätze wie z. B. der adulten Stammzellforschung ein. Diese ist nicht nur ethisch unbedenklich, sondern im Sinne einer "Ethik des Heilens" wesentlich erfolgreicher als die embryonale Stammzellforschung mit ihren hohen tumorauslösenden Risikopotenzialen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Trittin